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In seinem Bann

In seinem Bann

Titel: In seinem Bann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaïs Goutier
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legen und bei deinem süßen Po –.«
    Ich schnaubte verächtlich.
    »Ich wollte nur sagen, dass ich ihn dafür nicht verurteilen kann. Aber das mit dem Video? Ich kann verstehen, dass du da kalte Füße bekommen hast und ich denke, es war absolut richtig und verdammt konsequent, ihm zu zeigen, dass das nicht läuft. Jetzt musst du bloß standhaft bleiben. Es ist nun wirklich an ihm, dir zu zeigen, dass er dein Vertrauen verdient.«
    »Glaubst du, dass er das tun wird?«
    »Natürlich wird er das, wenn er dich wirklich liebt und daran hat er doch kaum Zweifel gelassen. Wenn er es aber nicht tut, sind ihm seine Sex-Eskapaden offenbar wichtiger und dann hat er die tollste Frau der Welt einfach nicht verdient.«
    »Auf jeden Fall habe ich den allerbesten großen Bruder auf der ganzen weiten Welt«, sagte ich gerührt und schniefte.

    Auch in den zwei Wochen danach hörte ich nichts von Ian. Ich kniete mich in meine Arbeit und verbrachte mehr Zeit an der Uni als nötig und üblich. Und auch an den Wochenenden versuchte ich möglichst rund um die Uhr beschäftigt zu sein. Zuerst half ich Kiki beim Ausstellungsaufbau von Lullaby im kunsTRaum.
    Und tatsächlich waren wir damit zwei volle Tage beschäftigt. Zuerst musste der Ausstellungsraum nach Kikis Vorstellungen mit einer rosa-pink gestreiften Kleinmädchen-Tapete tapeziert werden und da es sich um eine auf Stoß zu klebende Vlies-Tapete handelte, gestaltete sich schon dieser erste Arbeitsschritt als echte Herausforderung. Dann erst kam die eigentliche Installation. Kiki hatte – teils in mühevoller Handarbeit, teils mit professioneller industrieller Unterstützung – eine gesamte Kinderzimmereinrichtung aus lackiertem Metall nachgebaut; angefangen beim Bett mit metallenem Bettzeug, über das Barbie-Haus, die Kindersitzgruppe, die Teddybären bis hin zu Luftballons und Bilderbüchern.
    Als bei der Vernissage am Montagabend dann tatsächlich alles an seinem Platz war und man sich im kunsTRaum wirklich fühlte wie in einem rosaroten Mädchentraum, der erst beim zweiten Hinsehen seine haptische Kälte und seine scharfen Kanten zu erkennen gab, war ich wieder einmal überwältigt von Kikis visionärer Vorstellungskraft. Schließlich hatte auch sie die in mehrmonatiger Arbeit entstandenen Objekte noch nie als raumfüllendes Ensemble gesehen und konnte die befremdliche Gesamtwirkung entsprechend nur erahnen.
    Am nächsten Wochenende flüchtete ich dann zu Conny nach Köln, um mir seine Urlaubsfotos anzusehen und mich von ihm und der kölschen Kneipenszene von meinem Liebeskummer ablenken zu lassen. Mein Bruder gab sich wirklich alle Mühe, mich aus meiner Lethargie zu reißen, spielte meine Lieblingsplatten, schleppte mich ins Travestie-Theater und sonntagmittags in die Programmkino-Matinee, wo wir Ed Woods herrlich doofen Trash-Klassiker Plan 9 From Outer Space sahen. Allein es half nicht viel. Sogar im Kino musste ich an Ian denken.
    Zurück in Frankfurt nutzte ich meinen freien Montag, um Einkäufe zu erledigen. Am Obststand in der Kleinmarkthalle traf ich Jacques Lezard, den Chefkoch aus dem Grand Reed. Fast hätte ich den zierlichen Mann ohne seine weiße Uniform und die hohe Kochmütze gar nicht erkannt, doch er erkannte mich.
    »Mademoiselle Lauenstein, quel plaisir de vous revoir !« rief er mir zu und drückte mich im nächsten Moment freundschaftlich an sich.
    »Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Monsieur Lezard«, erwiderte ich ein wenig irritiert, ob dieser überschwänglichen Begrüßung. Schließlich waren wir uns nur ein einziges Mal begegnet und ich hatte nicht unbedingt das Gefühl gehabt, dass er mich besonders gern mochte.
    »Wie geht es Ihnen, Mademoiselle?«
    »Prima«, log ich und zwang mich zu einem Lächeln. »Und selbst?«
    Er sah mich einen Moment lang auf diese seltsame, nachdenkliche Weise an, die mir schon im Restaurant ein wenig unangenehm gewesen war.
    »Ich stamme aus Marseille. Wie könnte es mir bei diesem Wetter nicht gut gehen?«
    Er nahm mir die gelbgesprenkelte Curuba aus der Hand und griff nach einer eher orangefarbenen, die er sich unter die Nase hielt und tief einatmete, ehe er sie mir reichte.
    »Hier. An der werden Sie mehr Freude haben. Riechen Sie mal«, sagte er.
    Tatsächlich. Die Frucht sah zwar nicht ganz so hübsch aus wie die, die ich ausgewählt hatte, aber sie duftete unvergleichlich.
    Jacques Lezard selbst kaufte einen Beutel Longan- und Langsat-Früchte, zwei Verwandte der hierzulande bekannteren Litschi, wie ich

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