In Tödlicher Mission

die Hand am Steuer. »Gut«, sagte er. Dann drehte er sich um und ging schnell unter dem Torbogen durch ins Gebäude.
    Wing Commander Rattray, der Leiter der Station F, war ein dicklicher Mann mit roten Wangen und blondem Haar, das er glatt zurückgekämmt hatte. Er war recht elegant gekleidet, hatte umgeschlagene Manschetten und trug ein doppelt geschlitztes Jackett, eine Fliege sowie eine extravagante Weste. Er erweckte den Eindruck eines Mannes, der das Leben genoss und gutem Wein, gutem Essen und guter Gesellschaft zugetan war. Lediglich die langsamen, listig wirkenden blauen Augen passten nicht zu diesem Bild. Er rauchte unaufhörlich Gauloises, und sein Büro stank danach. Er begrüßte Bond mit Erleichterung. »Wer hat Sie gefunden?«
    »Russell. Im Fouquets. Ist sie neu?«
    »Sechs Monate. Sie ist gut. Aber setzen Sie sich doch. Es herrscht ein gewaltiges Durcheinander, und ich muss Sie über die Einzelheiten informieren und dafür sorgen, dass Sie loslegen können.« Er beugte sich zu seiner Gegensprechanlage vor und drückte auf einen der Schalter. »Telegrafieren Sie bitte M. Eine persönliche Nachricht vom Stationsleiter. ‚007 lokalisiert, Anweisungen werden gegeben.‘ Verstanden?« Er nahm den Finger vom Schalter.
    Bond zog sich einen Stuhl ans offene Fenster, um dem Rauch der Gauloises aus dem Weg zu gehen. Der Verkehr auf der Champs-Élysées war als leises Hintergrundrauschen zu vernehmen. Eine halbe Stunde zuvor hatte er die Nase von Paris voll gehabt und war froh gewesen, die Stadt bald verlassen zu können. Nun hoffte er, dass er noch bleiben würde.
    Der Leiter von F sagte: »Gestern früh hat jemand unseren morgendlichen Kurierfahrer von SHAPE, der zur Station in St. Germain unterwegs war, erledigt. Er hatte die wöchentliche Fuhre der SHAPE-Geheimdienstabteilung dabei, einschließlich Zusammenfassungen, gesammelter Geheimdienstpapiere, Schlachtbefehle für den Eisernen Vorhang – das ganze wichtige Zeug. Ein Schuss in den Rücken. Der Mörder hat seine Kuriertasche sowie seine Brieftasche und Armbanduhr mitgenommen.«
    »Das ist übel«, kommentierte Bond. »Besteht die Möglichkeit, dass es sich um einen gewöhnlichen Überfall handelte? Oder glauben Sie, dass die Brieftasche und die Uhr nur mitgenommen wurden, um es danach aussehen zu lassen?«
    »Die Sicherheitsabteilung von SHAPE kann sich diesbezüglich nicht entscheiden. Im Großen und Ganzen vermuten sie, dass das nur der Tarnung diente. Sieben Uhr morgens ist eine seltsame Zeit für einen einfachen Überfall. Aber das können Sie mit denen ausdiskutieren, sobald Sie dort sind. M schickt Sie als seinen persönlichen Repräsentanten. Er macht sich furchtbare Sorgen. Abgesehen vom Verlust des Geheimdienstmaterials haben es deren Geheimdienstleute noch nie gemocht, wenn eine unserer Stationen sozusagen ihr Reservat verlässt. Sie versuchen schon seit Jahren, die St.-Germain-Einheit in die Geheimdienstorganisation von SHAPE einzugliedern. Aber Sie kennen ja M, diesen unabhängigen alten Teufel. Er war noch nie mit der NATO-Sicherheit zufrieden. Und in der Geheimdienstabteilung von SHAPE befinden sich nicht nur ein paar Franzosen und ein Italiener. Der Leiter ihrer Abteilung für Gegenspionage und Sicherheit ist Deutscher!«
    Bond stieß einen Pfiff aus.
    »Das Problem besteht darin, dass diese verdammte Sache alles ist, was SHAPE benötigt, um M unter Kontrolle zu bringen. Jedenfalls will er, dass Sie sich sofort dorthin begeben. Wegen Ihrer Sicherheitsfreigabe habe ich schon alles geklärt und die entsprechenden Ausweise besorgt. Sie sollen sich bei Colonel Schreiber von der Sicherheitsabteilung des Hauptquartierkommandos melden. Amerikaner. Tüchtiger Bursche. Er hat sich von Anfang an um diese Sache gekümmert. Soweit ich weiß, hat er bereits alles getan, was getan werden konnte.«
    »Was hat er denn getan? Was genau ist passiert?«
    Der Leiter von F nahm eine Karte von seinem Schreibtisch und kam damit zu Bond herüber. Es handelte sich um eine Michelinkarte im großen Maßstab mit dem Titel
Environs de Paris
. Er deutete mit einem Bleistift darauf. »Hier liegt Versailles, und hier, genau nördlich des Parks, befindet sich die große Kreuzung der Autobahnen Paris-Mantes und Versailles. Ein paar Hundert Meter nördlich davon an der N 184 liegt SHAPE. Jeden Mittwoch um sieben Uhr morgens verlässt ein Spezialdienstkurier SHAPE mit der wöchentlichen Lieferung an Geheimdienstunterlagen, von der ich Ihnen erzählt habe. Er muss in