Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Auch Pünktlichkeit kann töten
    Die Wohnung war modern. Die Einrichtung der Zimmer war ebenfalls modern. Die Armsessel waren quadratisch, die hohen Stühle eckig. Ein moderner Schreibtisch war rechtwinklig vor das Fenster gestellt, und an ihm saß ein kleiner ältlicher Mann. Sein Kopf war in diesem Zimmer praktisch das einzige, das nicht eckig war. Er war eierförmig. M. Hercule Poirot las gerade einen Brief.

Bahnstation: Whimperley
Hamborough Close
Telegrammanschrift:
Hamborough St. Mary
Hamborough St. John
Westshire
    24. September 1936
    M. HERCULE POIROT
    Dear Sir,
    es hat sich ein Fall entwickelt, zu dessen Behandlung Fein-fühligkeit und Diskretion erforderlich sind. Von Ihnen habe ich verschiedentlich Gutes gehört, und so habe ich mich entschlossen, Ihnen den Fall zu übertragen. Ich habe Grund zu der Annahme, daß ich das Opfer von Betrügereien bin, aber aus familiären Gründen möchte ich nicht die Polizei hinzuziehen. Ich ergreife zwar selbst bestimmte Maßnahmen, um mit der Angelegenheit fertig zu werden, aber Sie müssen sich bereithalten, bei Empfang eines Telegramms sofort hierherzukommen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Brief nicht beantworteten.
    Hochachtungsvoll!
    Gervase Chevenix-Gore

    Die Augenbrauen des Monsieur Poirot kletterten langsam in die Höhe, bis sie fast in seinem Kopfhaar verschwanden.
    »Und wer«, fragte er die Leere, »ist dieser Gervase Chevenix-Gore?«
    Er ging zu einem Bücherregal und nahm ein großes dickes Buch heraus.
    Was er suchte, fand er sehr schnell. CHEVENIX-GORE, Sir Gervase Francis Xavier, 10. Barons.
    1694; ehemals Captain 17. Lancers; geb. 18. Mai 1878; alt. Sohn v. Sir Guy Chevenix-Gore, g. Baron, und Lady Claudia Bretherton, 2. Tocht. d. 8. Earl of Wallingford. 1912 Eheschl. m. Vanda Elizabeth, alt. Tocht. v. Colonel Frederick Arbuthnot. Ausb. Eton, diente im europ. Krieg 1914-18. Vorlieben: Reisen, Großwildjagd. Anschrift: Hamborough St. Mary, Westshire, und 218 Lowndes Square, SW l. Clubs: Cavalry, Travellers’.
    Leicht enttäuscht schüttelte Poirot den Kopf. Für einen Augenblick blieb er noch in Gedanken versunken; dann ging er zu seinem Schreibtisch, zog eine Schublade auf und holte einen kleinen Stoß Einladungskarten heraus. Sein Gesicht erhellte sich.
    » A la bonne heure! Genau das richtige! Er wird sicher da sein.«

    Eine Herzogin begrüßte Monsieur Hercule Poirot in angenehmen Tönen.
    »Also konnten Sie es doch noch einrichten, hierher zu kommen, Monsieur Poirot! Das finde ich wirklich großartig!«
    »Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Madame«, murmelte Poirot und verbeugte sich.
    Er entkam verschiedenen wichtigen und großartigen Leuten – einem berühmten Diplomaten, einer gleichermaßen berühmten Schauspielerin sowie einem bekannten adligen Jäger – und fand schließlich jenen Mann, den er hier gesucht hatte: den unvermeidlich »ferner anwesenden« Gast Mr. Satterthwaite.
    Mr. Satterthwaite plauderte munter drauflos.
    »Die liebe Herzogin – ich genieße ihre Empfänge immer sehr… Eine derartige Persönlichkeit, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will. Vor einigen Jahren war ich auf Korsika sehr oft mit ihr zusammen…«
    Mr. Satterthwaites Unterhaltung war in unangebrachter Weise durch die ständige Erwähnung jener seiner Bekannten belastet, die einen Titel besaßen. Es ist möglich, daß er gelegentlich auch die Gesellschaft eines Mr. Jones, Brown oder Robinson genoß; wenn dies zutraf, verschwieg er allerdings diese Tatsache. Mr. Satterthwaite als bloßen Snob und sonst nichts zu beschreiben, wäre jedoch ihm gegenüber eine Ungerechtigkeit gewesen. Er war vielmehr ein aufmerksamer Beobachter der menschlichen Natur, und wenn es wahr ist, daß der Kiebitz am meisten vom Spiel versteht, mußte Mr. Satterthwaite eine ganze Menge können.
    »Wissen Sie, mein lieber Freund, es muß schon Jahre her sein, daß ich Sie sah. Ich empfinde es auch heute noch als großen Vorzug, Sie damals, in dem Fall Crow’s Nest, so unmittelbar bei Ihrer Arbeit beobachtet zu haben. Seitdem habe ich das Gefühl, zu den Eingeweihten zu zählen, wie man so sagt. Übrigens habe ich Lady Mary erst in der vergangenen Woche gesehen. Ein bezauberndes Wesen – wie aus Milch und Blut!«
    Nachdem er einen Augenblick bei den gegenwärtigen Skandalen verweilte – den Unbedachtheiten der Tochter eines Earl und dem beklagenswerten Betragen eines Viscount –, gelang es Poirot, den Namen Gervase Chevenix-Gore zu erwähnen. Mr. Satterthwaite reagierte

Weitere Kostenlose Bücher