In Tödlicher Mission
Cloud wurde der Verkehr dichter, und Bond fuhr mit hundertzehn über die Autobahn, bis rechts von ihm die zweite Abfahrt auftauchte und er den roten Pfeil sah, der ihn zu SHAPE führen würde. Bond fuhr den Hügel hinauf und auf die N 184. Zweihundert Meter weiter entdeckte er mitten auf der Straße den Verkehrspolizisten, von dem man ihm gesagt hatte, dass er auf ihn achten solle. Der Polizist winkte ihn durch die großen Tore auf der linken Seite hinein, und er näherte sich der ersten Kontrollstelle. Ein grau uniformierter amerikanischer Polizist lehnte sich aus der Kabine und warf einen Blick auf seinen Ausweis. Bond solle hineinfahren und dort warten. Nun überprüfte ein französischer Polizist seinen Ausweis, vermerkte die Einzelheiten auf einem gedruckten Formular, das auf einem Klemmbrett befestigt war, überreichte ihm eine große Plastiknummer für die Windschutzscheibe und winkte ihn weiter. Als Bond auf den Parkplatz fuhr, leuchteten mit theatralischer Abruptheit plötzlich einhundert Bogenlampen auf und erhellten die Reihen aus niedrigen Baracken vor ihm, als ob es Tag wäre. Bond fühlte sich nackt, während er über die offene Kiesfläche unter den Flaggen der NATO-Länder hindurchging, und brachte die vier flachen Stufen, die zu den breiten Glastüren am Eingang des Obersten Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte in Europa führten, im Laufschritt hinter sich. Nun musste er sich dem Hauptsicherheitsschalter stellen. Amerikanische und französische Militärpolizisten überprüften seinen Ausweis und notierten sich die Einzelheiten. Man übergab ihn an einen britischen Militärpolizisten mit einer roten Mütze, der ihn durch den Hauptgang an einer endlosen Zahl Bürotüren vorbeiführte. Auf ihnen standen keine Namen, sondern der übliche Buchstabenhokuspokus, den man in allen Hauptquartieren vorfand. Auf einer Tür stand COMSTRIKFLTLANT UND SACLANT-VERBINDUNG ZUM SACEUR. Bond fragte, was das bedeute. Der Militärpolizist, der entweder ignorant oder, was wahrscheinlicher war, sehr auf Sicherheit bedacht war, antwortete stoisch: »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Sir.«
Hinter einer Tür, auf der COLONEL G. A. SCHREIBER, SICHERHEITSCHEF, HAUPTQUARTIERKOMMANDO stand, befand sich ein stocksteifer Amerikaner mittleren Alters mit grau werdendem Haar und der höflich negativen Ausstrahlung eines Bankdirektors. Auf seinem Schreibtisch standen mehrere Familienfotos in silbernen Rahmen sowie eine Vase mit einer einzelnen weißen Rose. Der Raum roch nicht nach Tabak. Nach ein paar vorsichtig ausgetauschten Höflichkeiten gratulierte Bond dem Colonel zu seinen Sicherheitsmaßnahmen. »All diese Überprüfungen und erneuten Überprüfungen machen es dem Gegner sicher nicht leicht«, sagte er. »Haben Sie schon einmal etwas verloren oder je Anzeichen für einen ernsthaften Putschversuch entdeckt?«
»Ich kann beide Fragen mit Nein beantworten, Commander. Ich bin sehr zufrieden mit dem Hauptquartier. Lediglich die Außeneinheiten bereiten mir Sorgen. Abgesehen von dieser Abteilung Ihres Secret Service haben wir noch diverse gesonderte Nachrichteneinheiten. Und dann gibt es natürlich noch die Heimatministerien der vierzehn verschiedenen Nationen. Ich bin nicht für das verantwortlich, was möglicherweise von dort durchsickert.«
»Das kann keine leichte Aufgabe sein«, stimmte Bond zu. »Also, dann kommen wir mal auf diesen Schlamassel zu sprechen. Hat sich seit Ihrem letzten Gespräch mit Wing Commander Rattray irgendetwas Neues ergeben?«
»Wir haben eine Kugel gefunden. Stammt aus einer Luger. Sie hat das Rückenmark des Opfers durchtrennt. Vermutlich wurde sie aus einer Entfernung von etwa dreißig Metern abgefeuert, plus minus zehn Meter. Wenn man davon ausgeht, dass unser Mann geradeaus fuhr, muss die Kugel genau hinter ihm und mit vollkommen gerader Flugbahn abgefeuert worden sein. Da es demnach niemand gewesen sein kann, der auf der Straße stand, muss sich der Mörder in oder auf irgendeinem Fahrzeug fortbewegt haben.«
»Also dürfte Ihr Mann ihn in seinem Rückspiegel gesehen haben?«
»Wahrscheinlich.«
»Wenn Ihre Fahrer feststellen, dass ihnen jemand folgt, haben sie dann die Anweisung, ein Ausweichmanöver durchzuführen?«
Der Colonel lächelte dünn. »Natürlich. Sie sollen sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen.«
»Und bei welcher Geschwindigkeit ist Ihr Mann mit seinem Motorrad umgekippt?«
»Sie glauben, dass er nicht besonders schnell fuhr. Zwischen dreißig und
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