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In Vino Veritas

In Vino Veritas

Titel: In Vino Veritas
Autoren: Carsten Henn
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Ihnen
auch gar nicht sagen. Zumindest arbeite ich für den Michelin Guide Rouge.«
    »Ah, so.«
    »Normalerweise rufe ich nie bei Restaurants nach einem Essen an.
Aber, ich musste einfach. Wissen Sie, ich war gestern
Abend bei Ihnen!«
    »Jaaa.«
    »Und es hat mir fabelhaft gemundet!«
    »Das freut mich.«
    »Ich hatte, wie ich gerade aus der Zeitung erfahren habe, das
Mörder-Menü.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Doch. Ich musste Ihren Oberkellner zwar ein wenig bearbeiten, aber
schließlich hat er es mir und meiner Begleiterin gebracht. Aber Sie sollten
wirklich mal mit ihm reden, er war nicht immer so geistesgegenwärtig, wie zu
wünschen wäre. Er kümmerte sich den ganzen Abend fast nur um die Gäste im
Séparée. Nehmen Sie das als gut gemeinten Rat!«
    »Ja.«
    »Aber das Menü hat mich für alles entschädigt.
Und auch die Weine waren fantastisch ausgewählt!«
    »Soso.«
    »Mit welchem Mut sie da kontrastierende Geschmacksnuancen kombiniert
haben. Diese Chuzpe! Grandios!«
    »Fanden Sie das?«
    »Aber einhundertprozentig. Kein Vergleich zu Ihren sonstigen
Kreationen!«
    »Mhm.«
    »Das meine ich nicht negativ. Sie kochen sonst schon fantastisch,
aber eine so einfallsreiche Küche habe ich bei Ihnen noch nie vorgefunden. Das
war ja eigentlich zwei Sterne wert, was red ich, drei!«
    »Danke!«
    »Aber erst mal müssen Sie sich mit einem zufrieden geben.«
    Man hörte, wie Julius schluckte. »Ja«, brachte er dann hervor.
    »Schließlich zählt Kontinuität. Aber mit so einer Leistung ist der
Weg nach oben offen. Weiter so, Herr Eichendorff, weiter so!«
    Julius sagte nichts. Das war einfach zu unglaublich.
    »Einen schönen Tag wünsche ich weiterhin!«
    »Ihnen auch«, kam es stockend über Julius’ Lippen.
    »Wiederhören!«
    »Wiederwieder.«
    Franz-Xaver stellte den Anrufbeantworter ab und holte das Band
heraus: »Das behalten wir! Als Dokument eines historischen Moments, in dem
Julius Eichendorff so wortgewandt wie ein Stockfisch war.«
    Ebendieser Julius Eichendorff war mittlerweile rot angelaufen. Er
war es nicht gewohnt, die eigene Stimme zu hören, und geistige
Meisterleistungen wie »Wiederwieder« machten die Sache nicht besser.
    »Das muss gefeiert werden!«, rief von Reuschenberg.
    »Aber nicht mehr heute«, sagte Julius.
    Franz-Xaver schien enttäuscht.
    »Wir köpfen jetzt nur eine Flasche
Bollinger Grande Année 1990er. Danach heißt es
arbeiten, alles vorbereiten, denn heute Abend kommen wieder Gäste.«
    »Sehr pflichtbewusst, Herr Eichendorff. Respekt!«, meinte von
Reuschenberg.
    »Und das echte Festessen – nach dem falschen gestern –
machen wir, wenn der neue Michelin-Führer draußen ist. Erstmalig mit dem
Sternerestaurant ›Zur Alten Eiche‹! Sie werden natürlich auch eingeladen, Frau
von Reuschenberg.«
    »Das ist ja schön und gut, aber jetzt hätte ich erst einmal gern die
beiden Desserts!«
    »Selbstverfreilich, gnä’ Frau, ich bring sie Ihnen schon mal in den
Garten!«, sagte Franz-Xaver, griff sich die zwei bereitstehenden Teller und
balancierte sie fröhlich singend hinaus.
    Julius wandte sich noch einmal an die Kommissarin. »Sie können auch
gerne eine männliche Begleitung mitbringen.«
    »Soso«, sie schmunzelte. »Eine männliche Begleitung hab ich zurzeit
nicht zur Hand. Mit männlichen Begleitungen ist das schwierig, wenn man so
unkonventionelle Arbeitszeiten hat wie bei der Polizei.«
    »Wem sagen Sie das? Meinen Sie, mir als Koch ginge es anders?«
    Von Reuschenberg schenkte ihm einen Augenaufschlag. »Vielleicht
sollte ich mich auf Köche spezialisieren?«
    »Die sind aber nicht pflegeleicht. Und außerdem schwer zu fassen. Da
müssten Sie sich schon sehr anstrengen.«
    »Ich hab da so meine Methoden.« Sie kramte in ihren Jackentaschen
und holte schließlich ein Paar Handschellen hervor. »Strecken Sie Ihre Arme
aus!« Schelmisch blickte sie ihn an.
    »Wie bitte?«
    »Stell dich net so an! Hoch mit den Armen!«, rief Franz-Xaver, der
wieder in die Küche gekommen war.
    Die Handschellen schlossen sich klackend um Julius’ Gelenke.
    »Im Namen des guten Geschmacks nehme ich Sie fest. Sie haben das
Recht, das Menü zu verweigern. Alles, was Sie selber essen, kann auf der Waage
gegen Sie verwendet werden …«
    Weiter kam sie nicht, denn Julius’ Lachen war einfach zu ansteckend.

Anhang
    Tipps für Weinnasen
    In diesem Krimi sind viele Wein-Spuren ausgelegt –
und es lohnt sich, jeder einzelnen davon nachzugehen. Billig wird dieses
vinophile Detektivspiel
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