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In weißer Stille

In weißer Stille

Titel: In weißer Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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und wunderte sich einen Augenblick, dass er, der Hamburger, nun dieses Wort in seinen Sprachschatz aufgenommen hatte. Doch nach fünf Jahren in München war es dafür auch nicht zu früh.
    Er nahm einen Holzkochlöffel und hielt den Stiel in die Pfanne. Kleine Blasen bildeten sich, feiner Rauch stieg auf. Das Fett war heiß genug.
    Agnes stand auf und trat hinter ihn. Er spürte ihre Wärme, als sie beide Arme um seinen Körper legte und ihren Kopf auf seine Schulter. Er wandte sich zu ihr um, sah den Blick aus ihren blauen Augen auf sich gerichtet und fuhr ihr durch die streichholzkurzen Haare. Als er Agnes im Mai kennengelernt hatte, waren sie beinahe hüftlang gewesen. Wie lange würde es wohl noch dauern, bis sie die Geister, die sie beherrschten, abgeschüttelt hatte, bis es für ihn einen Platz in ihrem Leben gab? Sein Handy begann zu klingeln. »Merde«, fluchte er halblaut, löste sich von Agnes und meldete sich.
    »Hast du schon zu Abend gegessen?« Es war Berentz von der Einsatzabteilung.
    »Wollte ich gerade.«
    »Verschieb es auf später. Es gibt Arbeit für euch. Scheint kein schöner Anblick zu sein. Ein alter Mann liegt draußen am Starnberger See in seinem Wochenendhaus. Anscheinend schon länger. Besser, du isst hinterher.« Berentz gab Dühnfort Adresse und Wegbeschreibung. Das Haus sei nicht einfach zu finden, hatte der Sohn des Toten erklärt.
    Agnes schaltete den Herd aus und legte die Steaks in den Kühlschrank. »Du musst los, oder?«
    »Aber deswegen musst du ja nicht gehen – und schon gar nicht hungrig.« Er wollte, dass sie blieb. Wenigstens ein Mal. »Du könntest doch hier schlafen.«
    Sie zog die Schultern hoch. »Mal sehen.«
    Er versuchte sich seine Freude nicht anmerken zu lassen. »Mach dir doch eines der Steaks. Im Kühlschrank ist ein gut gekühlter Soave und im Dritten kommt gleich
Casablanca
, den könntest du dir doch ansehen. Bis der Film vorbei ist, bin ich zurück.«
    Er gab ihr einen Kuss und schlüpfte in den Mantel. Als er seine Wohnung verließ, stand Agnes in der Tür und sah ihm nach. Dieses Bild sah falsch und gleichzeitig richtig aus. Keine Zeit zu grübeln. Die ausgetretenen Stufen des Treppenhauses knarrten unter seinen Schritten. Er trat vors Haus.
    Es war dunkel, ein kalter Ostwind wehte, feiner Nieselregen fiel lautlos. Das Licht der Straßenlaternen beleuchtete die herbstlich gefärbten Blätter einer Linde. Ein alter Mann, der einen Rauhaardackel an der Leine führte, näherte sich. Der Hund schnupperte kurz an Dühnforts Schuhen und hob dann sein Bein am Baum. Der Altenickte grüßend. Er wirkte eingesunken, wie eine alte Mauer, deren Fundament nachgab. Ein anderer alter Mann lag tot in seinem Wochenendhaus. Dühnfort ging zu seinem Wagen.
    Als er auf die Garmischer Autobahn einbog, griff er zum Telefon und forderte ein Team der Spurensicherung und einen Rechtsmediziner an. Dann wählte er die Nummern von Alois und Gina und vergewisserte sich, dass beide unterwegs waren.
    Anschließend schaltete er das Autoradio ein. Auf dem Kulturkanal gab es eine Buchbesprechung. Der Moderator verlief sich in Formulierungen. Er sprach vom namenlosen Ich, vom Erotiker, der im Gegensatz zum Faun, der ja ein Sammler und Eroberer sei, keine Siege zähle, sondern allenfalls Kapitulationen.
    Dühnfort schaltete ab. Er hatte die Stadt hinter sich gelassen. Die Nacht war dunkel, die Scheibenwischer quietschten. Zum ersten Mal fragte er sich, wie lange er sich noch auf diese Art unverbindlicher Beziehung einlassen wollte, die er mit Agnes hatte. Vielleicht sollte auch er kapitulieren.
    Bei Wolfratshausen verließ er die Autobahn und fuhr über Münsing nach Holzhausen. Kurz nach dem Ortsende verlangsamte er die Fahrt, um die Abzweigung des Feldweges nicht zu verpassen. Die Lichter streiften über Schlaglöcher und Unkraut am Wegesrand. Ein Stein flog krachend gegen die Karosserie. Dann führte der Weg in den Wald. Die Dunkelheit verdichtete sich. Für einen kurzen Moment tauchte ein Kaninchen im Scheinwerferlicht auf. Nach etwa einem Kilometer bemerkte er Lichter zwischen den Bäumen. Er war da. Ein Geländewagen und ein Polizeifahrzeug parkten auf dem schmalen Weg vor einem Grundstück, in dessen Mitte ein Blockhaus stand.Die Außenbeleuchtung war eingeschaltet. Neben der Haustür lehnte eine Streifenpolizistin an der Wand. Im Haus brannte Licht. Die Beifahrertür des Streifenwagens stand offen. Auf dem Sitz saß ein Mann, vermutlich der Sohn des Toten. Er hatte den Kopf in die

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