In weißer Stille
wollte sie keinen Cent. Doch Carsten war nicht gekommen, um ihr zu erklären, dass eine Zusammenarbeit mit der Frau eines Doppelmörders untragbar geworden sei. Er hatte bereits seit Donnerstag versucht, sie zu erreichen. Eine Ressortleiterin hatte gekündigt, Veronika Jäger würde deren Posten übernehmen, somit musste ihre Stelle in der Redaktion
Küchen & Bäder
neu besetzt werden. »Die will ich dir anbieten. Und das hat nichts mit Mitleid oder alter Freundschaft zu tun, sondern nur mit deiner Leistung. Bevor du zur Konkurrenz gehst, binden wir dich an uns. Hast du Lust, die neue
Königin der Nasszellen
zu werden? Veronika wird dich einarbeiten.«
Eigentlich war das eine Nummer zu groß für sie. Doch eine so einmalige Chance würde sich ihr vielleicht nie wieder bieten. Stolz über das Vertrauen, das man in ihre Fähigkeiten setzte, sagte sie schließlich zu.
Der Sonntag war etwas ruhiger verlaufen. Caroline war mit Marc für eine Stunde vorbeigekommen. Sie hatte erschreckend ausgesehen. Blass und verhärmt. Obwohl sie,wie sie selbst sagte, das Ganze noch nicht richtig an sich herangelassen hatte. Ich auch nicht, hatte Babs gedacht.
Am Sonntagnachmittag war die Anzahl der Reporter, die beharrlich auf Bilder lauerten, geschwunden, nachdem ein Großbrand in einem Möbelhaus ausgebrochen war.
Babs sah aus dem Fenster. Jetzt waren sie wieder da. Bertrams Beisetzung fand um elf statt. Gemeinsam mit ihren Eltern und den Jungs verließ sie um halb elf das Haus. Vater chauffierte sie und versuchte gar nicht erst, die Presse abzuhängen. »Sie wissen sowieso, wo sie uns finden. Ignorier sie einfach.«
Mitarbeiter des Bestattungsinstituts warteten vor der Halle, und Vater gab ihnen die Anweisung, den Reportern den Zutritt zu verwehren.
Es war eine karge, wenig tröstliche Zeremonie, und bereits eine Viertelstunde später schritten sie hinter dem Sarg her, vorbei an eingefriedeten Arealen zum Grab. Als er in die Erde herabgelassen wurde, traten sie einzeln hervor, warfen Blumen hinab und schaufelten Humus darüber. Etwas ging zu Ende, fand seinen Abschluss, während Erde auf Holz prasselte. Neues würde beginnen. Noel und Leon traten gemeinsam ans Grab und griffen mit ernsten Mienen nacheinander zur Schaufel. »Tschüs, Onkel Bertram«, sagte Noel leise.
Kurz darauf setzte ein Platzregen ein, der die Schar der Trauergäste auseinandertrieb.
Caroline und Marc eilten hinter Babs und ihrer Familie dem Ausgang zu und folgten ihnen mit der kleinen Gruppe von Freunden und Verwandten zu dem Restaurant, in dem die Tische für den Leichenschmaus reserviert waren. Bei Griesnockerlsuppe wärmten sie sich auf, und als der Rinderbraten serviert wurde, ließ das befangene Schweigen nach. Gespräche begannen, und vereinzelt hörte man tatsächlich ein Lachen.
Es war kurz vor halb eins, als Caroline auf die Uhr blickte. Marcs Schultern strafften sich.
»Musst du ins Büro?«, fragte Babs.
»Die Vorstandssitzung fängt in einer halben Stunde an. Da muss ich hin.« Entschuldigend breitete Caroline die Hände aus. »Es geht um meine berufliche Zukunft.« Das galt Marc. »Aber ab morgen habe ich drei Wochen Urlaub. Die sind schon von Gilles abgesegnet.«
»Ich fahre dich.« Marc schob den Stuhl zurück und stand auf. Babs blickte den beiden nach, und für einen Moment beneidete sie Caroline um den Mann an ihrer Seite.
* * *
Als sie im Fahrstuhl nach oben fuhr, war das Gefühl der Bedrohung plötzlich wieder da, das sie seit Freitag beiseitegeschoben hatte. Vielleicht war es falsch gewesen, an diesem Tag nicht ins Büro zu gehen, vielleicht hätte sie sich doch dem Feind stellen sollen. Aber dazu hatte ihr die Kraft gefehlt. Tanja Wiezorek hatte sie angerufen und ihr erzählt, wie Henning mit einem Stapel Tageszeitungen unter dem Arm durch die Flure spaziert war und jedem unter die Nase gerieben hatte, was in Carolines Familie los war. Während des Mittagessens in der Kantine hatte Hennings Sekretärin Tanja anvertraut, dass sie einen Flug für Henning nach Berlin gebucht hatte. »Der Big Boss ist übers Wochenende im Adlon abgestiegen, hat mir seine Assistentin verraten.« Tanja Wiezoreks Fähigkeit, an Informationen zu kommen, hatte ihren Ursprung in der unschätzbaren Eigenschaft, zur rechten Zeit schweigen zu können. Jacques Kerity waralso in Berlin, und Henning flog ihm nach. Drei Tage vor der Vorstandssitzung. Sicher hatte er versucht, seine Widersacherin mit Dreck zu bewerfen, um mit seinem Plan der Expansion durch
Weitere Kostenlose Bücher