Incognita
einmal, wie erschöpft er war, und verlangsamte seinen Schritt. Mit erhobener Hand begrüßte er Gordon, der soeben ausstieg. Gordon winkte zurück, doch er wirkte hastig und aufgeregt.
»Lauf weiter, John!«, rief er. »Beeil dich, verdammt! Sie kommen!«
John verstand die Warnung und warf einen Blick hinter sich. Die Hunde, die ihn verfolgt hatten, kläfften noch immer hinter dem Zaun. Doch aus dem offenen Eingangstor an der Uferpromenade strömte soeben der Rest der Meute, mindestens zwanzig Tiere, und es wurden immer mehr. Eine wogende Masse aus glänzendem Fell, angespannten Muskeln und schnappenden Kiefern.
Abermals rannte John um sein Leben, doch so sehr er sich auch anstrengte – er wurde mit jedem Schritt langsamer. Seine Schuhe schienen plötzlich wie aus Beton gegossen.
Reiß dich zusammen!, schrie ihn seine innere Stimme an. Es sind höchstens noch zweihundert Meter! Mach jetzt nicht schlapp!
Er versuchte, seine Erschöpfung zu ignorieren und seine Kräfte für diesen letzten Spurt zu mobilisieren, aber es kam ihm vor, als bewege er sich nur noch in Zeitlupe. Er sah noch einmal über die Schulter. Die Hundemeute holte auf. Gleichzeitig schien sich der Abstand zu Gordon kaum zu verringern.
Ich schaffe es nicht!, dachte John. Seine Panik wich schlichter Resignation. Er hatte große Lust, einfach stehen zu bleiben und sich in sein Schicksal zu ergeben. Wozu sich weiter quälen?
Dann fiel sein Blick auf Gordon, der gerade in seinen BMW stieg, den Motor startete und mit quietschenden Reifen beschleunigte. Unmittelbar vor John machte er eine Vollbremsung. Die Beifahrertür schwang auf, und John stürzte in den Wagen.
»Fahr los!«, brüllte er.
Ohne Rücksicht auf die Hunde, die inzwischen gleichauf waren, trat Gordon das Gaspedal durch und riss das Lenkrad herum. Der Motor heulte auf, die Limousine legte sich in die Kurve. Ein paar der Tiere gerieten jaulend unter die Räder. Durch das Fenster sah John die schnappenden Kiefer, die ihn um ein Haar erwischt hätten. Doch jetzt war er endgültig in Sicherheit.
Die Meute gab die Verfolgung rasch auf. Als Gordon und John auf die A 102 in Richtung Süden einbogen, war keiner der Hunde mehr zu sehen.
Ganz allmählich löste sich Johns Anspannung. Er fühlte sich ausgelaugt und leer, aber zumindest war er am Leben.
»Danke«, sagte er. »Du hast mich gerettet.«
Ohne den Blick von der leeren Straße abzuwenden, entgegnete Gordon: »Gerettet habe ich dich erst, wenn du wieder in deiner alten Welt bist.«
Kapitel 26
Die außergewöhnlichen Ereignisse des Tages veranlassten Gordon dazu, jegliche Vorsichtsmaßnahmen zur Wahrung seines Geschäftsgeheimnisses zu missachten. Ohne John die Augen zu verbinden oder ihn gar in den Kofferraum zu sperren, fuhr er ihn zu seinem Labor, das nur wenige Kilometer südlich von Greenwich lag, in einem heruntergekommenen Industrieviertel in Catford.
»Die beste Tarnung«, erklärte Gordon. »In dieser Gegend erwartet niemand ein Hightech-Unternehmen. Das spart eine Menge Kosten für Sicherheitsvorkehrungen. Außerdem sind die Mieten hier viel billiger als in London.«
Sie passierten ein Gattertor, das ein Schild mit der Aufschrift Gordon Cox – Adventure-Journeys Ltd. zierte. Danach ging es über eine asphaltierte Piste zu einem dreigeschossigen, schmucklosen Bürobau.
»Wie viele Leute arbeiten für dich?«, wollte John wissen.
»Etwa zweihundert«, sagte Gordon. »Du kennst bisher nur die wenigen Leute aus dem Kellerlabor, aber es gibt noch viele andere. Wissenschaftler, Computerspezialisten und Techniker, aber auch einen ziemlich beachtlichen Verwaltungsapparat.« Er zuckte mit den Schultern. »Ohne Verwaltung läuft heute nicht einmal das Reisen zwischen den Universen. Es ist nervtötend! Wie schön wäre es, wenn man einfach nur in Ruhe forschen könnte!«
Gordon fuhr in die Tiefgarage und hielt vor dem Aufzug. Bevor sie ausstiegen, fiel John ein, was er Gordon noch fragen wollte: »Als dein Computer mich aus dem Dschungel zurückholte – kann es sein, dass er dabei versehentlich auch andere Elemente meiner Reise hierherteleportiert hat? Die Hunde zum Beispiel und den Jívaro-Krieger?«
Gordon zuckte mit den Schultern und wirkte auf einmal ratlos. »Um die Wahrheit zu sagen: Ich weiß es nicht. Bei der Auswertung der Daten gab es zwar einige Unstimmigkeiten, aber bisher bin ich davon ausgegangen, dass sie allein durch dich hervorgerufen wurden. Was heute passiert ist, ist allerdings auch in meiner Welt
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