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Incognita

Incognita

Titel: Incognita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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würden. Was sollte er tun? Sich freiwillig stellen? Dann würde man ihn verhaften und zumindest vorläufig unter Arrest stellen. Vielleicht auch lebenslänglich, je nachdem, wie die Beweislage sich entwickelte.
    John beschloss, den Polizisten aus dem Weg zu gehen und von hier zu verschwinden, sobald Gordon aufkreuzte. Lange konnte das ja nicht mehr dauern.
    Rasch eilte er durch das offene Tor auf das College-Areal zu, wo er sich hinter einem der Nebengebäude versteckte. Vorsichtig spähte er um die Ecke. Der Polizeiwagen hielt soeben am Straßenrand an. Ein Beamter stieg aus, umrundete Johns Daimler und sprach etwas in ein Funkgerät. Offenbar ließ er von der Zentrale das Nummernschild überprüfen, genau wie John vermutet hatte. Kurz darauf schien er die Bestätigung zu erhalten, denn er wechselte ein paar Worte mit seinem Kollegen, der noch im Wagen saß und daraufhin ebenfalls ausstieg. Die Schlagstöcke ließen sie stecken, dafür zogen sie jedoch ihre Pistolen aus den Lederhalftern an ihren Gürteln. Als ahnten sie, wo sie suchen mussten, steuerten sie auf das offen stehende Eingangstor zu und betraten den weitläufigen, zentralen Platz des Marinegeländes. John hatte sich mittlerweile weiter hinten im Schatten eines Säulengangs versteckt. Die beiden Beamten sprachen sich kurz ab und trennten sich dann. Einer der beiden verschwand hinter einem Seitengebäude aus Johns Blickfeld. Der andere schlug den direkten Weg ein und schlenderte wie ein amerikanischer Revolverheld quer über den offenen Platz. Offenbar war er ziemlich sicher, dass John keine Schusswaffe besaß, sonst wäre er gewiss vorsichtiger gewesen.
    John wollte mehr Abstand gewinnen, musste jedoch einsehen, dass die Gefahr zu groß war, sich zu verraten, wenn er sein Versteck verließ. Er hatte sich in eine Falle manövriert.
    Reglos harrte John hinter seiner Säule aus, er musste sich jetzt vollkommen auf sein Gehör verlassen. Schritte kamen näher, der Polizist konnte jetzt nur noch zwei oder drei Meter entfernt sein. Plötzlich blieb er stehen.
    John wagte kaum noch zu atmen. Was ist los? Ahnt er, wo ich bin? Oder sieht er sich nur ein bisschen um?
    Es kostete ihn enorme Selbstbeherrschung, nicht einfach aufzuspringen und davonzurennen, sondern weiterhin still hinter seiner Säule hocken zu bleiben.
    Er hörte eine Funkstimme: »Woody, alles klar bei dir?«
    Der Polizist vor der Säule antwortete: »Hier ist alles ruhig. Und bei dir?«
    »Auch ruhig. Für meinen Geschmack sogar ein bisschen zu ruhig.«
    »Was soll das heißen, Collin?«
    »Es ist irgendwie unheimlich, findest du nicht? Weit und breit kein einziger Mensch. Wie in einer Geisterstadt. So was hab ich noch nie erlebt … Augenblick mal, ich glaub, da ist was.«
    »Soll ich rüberkommen?«
    »Das schaff ich schon allein. Hm … was zum Teufel …?« Es folgte eine kurze Pause, dann lauter: »Verdammte Scheiße, das kann doch nicht wahr sein! Woher um alles in der Welt kommen diese Viecher?« Die letzten Worte klangen heiser, beinahe panisch.
    »Collin, was ist los bei dir?« Das war wieder der Polizist vor der Säule. Woody. Auch er klang jetzt nervös. »Sag schon, Collin, wo steckst du?«
    Keine Antwort.
    Plötzlich hörte John zwei Schüsse, irgendwo von links, dicht gefolgt von einem langgezogenen Schrei, der ihm durch und durch ging. Der Polizist vor der Säule brüllte: »Herrgott noch mal, Collin, was ist passiert?« Dann sprintete er in die Richtung, aus der der Lärm gekommen war.
    Weitere Schüsse fielen. John trat hinter seiner Säule hervor und sah dem davoneilenden Beamten hinterher. Er rannte mit erhobener Waffe zwischen dem Kuppelbau und einem der Nebengebäude hindurch und schoss auf das, was sich am Ende der Mauerschlucht befand: mindestens zwei oder drei Dutzend Hunde, die sich über einen menschlichen Körper in Uniform hermachten. Bluthunde – dieselbe Rasse, die Gonzalo Pizarro auf seine Indios gehetzt hatte.
    »Collin!« Woodys Schrei schien von den dicken Steinwänden widerzuhallen. Er lief weiter und feuerte dabei unentwegt auf die Meute. Zwei Hunde brachen tot zusammen, alle anderen waren davon aber unbeeindruckt. Sie zerrten und rissen weiter an der noch frischen Beute. Gott allein wusste, woher die Tiere auf einmal kamen.
    Woody rannte schießend weiter, während er gleichzeitig den Namen seines toten Kollegen brüllte, wieder und wieder. Erst als er seinen letzten Schuss abgefeuert hatte, schien ihm klar zu werden, in welche Gefahr er sich gebracht

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