Individuum und Massenschicksal
Watkins die beiden letzten Kapitel des Manuskripts der »Natur der Psyche« ab, die sie für uns getippt hat; wir müssen das Buch noch durchgehen und die Anmerkungen dazu fertigstellen. Dann erhielt Jane gestern von ihrem Verlag die Korrekturfahnen von »James«, und so werden wir die nächste Woche über auch dieses Werk noch einmal sorgfältig durchgehen.
einem Geschehen in Form konkreter und realer Ereignisse führen. Die alles mit sich fortreißende Gewalt von Naturereignissen kann man nur verstehen, wenn man in einen Bereich ihrer Wirklichkeit Einblick nimmt, der sich eurer Wahrnehmung entzieht. Deshalb müssen wir die innere Triebkraft von Naturereignissen erforschen.
Ein Naturforscher untersucht die Außenseite der Natur. Selbst die Forschungsarbeit mit Atomen und Molekülen oder [hypothetischen]
Partikeln, die sich schneller als das Licht bewegen, bezieht sich auf die Teilchennatur der Wirklichkeit. Der Wissenschaftler sucht für gewöhnlich nicht das Herz der Natur. Ganz sicher betreibt er nicht das Studium ihrer Seele.
Alles Sein ist Manifestation von Energie - eine emotionale Manifestation von Energie. Der Mensch kann das Wetter nach Kriterien von Luftdruck und Luftströmungen interpretieren. Er kann Verwerfungslinien beobachten mit dem Bemühen, Erdbeben zu verstehen. Das funktioniert auch alles - äußerlich und bis zu einem gewissen Grad. Doch ist die Psyche des Menschen emotionell nicht nur ein Teil seiner körperlich-materiellen Umwelt, vielmehr ist sie zuinnerst mit allen Manifestationen der Natur verbunden. Unter Zuhilfenahme der im letzten Kapitel eingeführten Bezeichnungen läßt sich sagen, daß die emotionale Identifikation des Menschen mit der Natur eine stark empfundene Wirklichkeit in System 2 ist. Und dort müssen wir die Antworten auf die Frage nach der Beziehung des Menschen mit der Natur suchen. Dort, in Bezugssystem 2,erscheint die Natur der Psyche ganz klar, so daß ihre großen Bewegungen und Rhythmen verständlich werden. Die Manifestationen physischer Energie folgen emotionellen Rhythmen, die auch von den empfindlichsten Instrumenten nicht registriert werden können.
Warum kommt ein Mensch um, während ein anderer am Leben bleibt? Warum wird ein ganzer Landstrich von einem Erdbeben verwüstet? Worin liegt die Beziehung des Individuums zu solchen ganze Massen von Menschen ereilenden Katastrophen? Bevor wir mit der Erörterung derartiger Fragen beginnen können, müssen wir wieder den Blick auf eure Welt richten und ihren Ursprung erkunden, denn gewiß entspringen eure Welt und die Natur ein und demselben Prinzip. Im Zuge dieser Betrachtungen werden wir das ganze Buch hindurch immer wieder Unterscheidungen zu treffen haben zwischen einem Geschehen selbst und der Bedeutung solchen Geschehens.
Allem Anschein nach ist eure Welt etwas gegenständlich Feststehendes und Tatsächliches, und das tägliche Leben in ihr gründet sich auf die euch bekannten Geschehnisse und Fakten. Ihr trefft klare Unterscheidungen zwischen dem Tatsächlichen und dem bloß Vorgestellten, zwischen Fakten und Phantasieerfahrungen. Ihr nehmt es im allgemeinen für selbstverständlich, daß der derzeitige Wissensstand, über den ihr als Volk verfügt, auf wissenschaftlichen Prinzipien beruht, die gesichert und unanfechtbar sind. Zweifellos hat sich doch die technologische Entwicklung auf der Grundlage gesicherter konkreter Fakten vollzogen.
Die Ideen, Phantasien und somit die Mythen der Welt scheinen von der geläufigen Erfahrung weit entfernt zu liegen - und doch hat alles, was euch als Wissen und Erfahrung zum Bewußtsein kommt, seinen Ursprung in jener schöpferischen Dimension des Seins, die ich als Bezugssystem 2
bezeichne. Man könnte sagen, daß eure Tatsachenwelt einem Wurzelgrund aus Phantasie und Imagination, somit Mythen entsprießt, dem all die unzähligen Einzelheiten eurer Lebenszusammenhänge entstammen. Was aber sind Mythen, und was verstehe ich unter diesem Begriff?
Mythen sind nicht Verzerrungen tatsächlicher Wirklichkeit; vielmehr sind sie der Schoß, durch den das Tatsächliche geboren werden muß. In Mythen kommt eingeborenes Wissen um die Natur der Realität, eingebettet in imaginative Begriffe und beseelt von einer schöpferischen Kraft so stark wie die Natur selbst, zum Ausdruck. Mythenschöpfung ist eine natürliche seelische Fähigkeit, eine elementare Funktion der Psyche, die in einem gesamtseelischen Zusammenwirken mythische Abbilder der inneren Wirklichkeit erschafft. Diese
Weitere Kostenlose Bücher