Individuum und Massenschicksal
wird.
Was verbirgt sich hinter diesen Mythen, worin liegt der Ursprung ihrer Macht?
Tatsachen sind zwar sehr dienlich, doch sind sie immer nur ein schwacher Aufguß der Wirklichkeit. Anhand tatsächlichen Geschehens werden gewisse Erfahrungen kurzerhand als wirklich und andere als nicht wirklich deklariert. Die Psyche aber läßt sich nicht so einengen. Sie hat ihre Existenz in einem Seinsbereich, in dem es alle Möglichkeiten gibt.
Sie erschafft Mythen wie das Meer den Schaum. Mythen sind ursprünglich psychische Hervorbringungen von so großer schöpferischer Kraft, daß sie zum Ursprung ganzer Zivilisationen und Kulturen werden.
Die ihnen innewohnende Symbolkraft und emotionelle Wertigkeit prägen sich der materiellen Welt so tief ein, daß sie nie mehr die gleiche sein wird wie zuvor.
Sie werfen ihr Licht auf historische Ereignisse, denn sie sind die Ursache dieser Ereignisse. Sie verknüpfen und verweben die innere, unsichtbare, doch tief empfundene ewige psychische Erfahrung des Menschen mit den raumzeitlichen Geschehnissen seiner Erdentage und strukturieren in ihrer Kombination Gedanken und Glaubensüberzeugungen wirksam von einer Zivilisation zur anderen. In System 2 waltet die innere Macht der Natur in beständigem Wandel. Die Träume, Hoffnungen, Bestrebungen und Ängste des Menschen wirken in unablässiger Bewegung aufeinander ein, und aus dieser Bewegung entsteht das Geschehen eurer Welt. In dieses Ineinanderwirken ist natürlich nicht nur der Mensch, sondern auch die Gefühlswirklichkeit aller Lebensformen irdischen Bewußtseins, das der Mikrobe und des Gelehrten, des Froschs und des Sterns, miteinbezogen. Ihr deutet die Erscheinungen eurer Welt im Sinne der von euch akzeptierten Mythen.
Ihr organisiert also die materielle Erscheinungswelt anhand von Ideen.
Nur die Wahrnehmungen, die eure Ideen bestätigen, werden von euch verwertet. Der physische Körper selbst jedoch ist durchaus imstande, die Welt nach ganz anderen Kriterien zu ordnen als bloß nach dem einen euch vertrauten.
Ihr sondert euch von der Natur und ihren Absichten in weit größerem Maße als die anderen Lebewesen ab. In ihren gewaltigen Ausbrüchen erscheint euch die Natur wie ein Widersacher. In solchen Zeiten müßt ihr also, um eine Erklärung für die scheinbar feindselige Absicht der Natur zu finden, entweder nach Gründen außerhalb eurer selbst suchen, oder aber ihr müßt sie als absolut gleichgültig hinstellen.
Von seiten der Wissenschaft wurde oft gesagt, daß der Natur am Einzelwesen wenig, daß ihr nur am Bestand der Art gelegen ist; und so kommt es, daß ihr euch oft als Opfer in einem allgemeinen Kampf ums Überleben seht, in dem eure persönlichen Intentionen keinen Pfifferling zählen.
Ende des Diktats. Ende der Sitzung, es sei denn, ihr habt noch Fragen.
(»Nein, ich glaube nicht.«)
Ihr könnt euch auf allerlei Gutes gefaßt machen. Mehr will ich jetzt nicht sagen.
(» Okay. «)
Meine herzlichsten Grüße und einen schönen guten Abend.
(»Danke, Seth. Gute Nacht.«)
(23.02 Uhr. Janes Vortrag in Trance war ausgezeichnet gewesen gleichmäßig und konzentriert.)
Sitzung 818, Montag, den 6. Februar 1978
(Am letzten Mittwoch abend fand keine Sitzung statt, weil Jane und ich damit beschäftigt waren, die Korrektur von »James» durchzusehen. Ich hatte die Abzüge heute postfertig gemacht, blieb dann aber zu Hause, denn gegen Mittag kam ein schwerer Schneesturm auf. Als wir uns um 21.15 Uhr für die Sitzung bereitmachten, stürmte es heftiger denn je.
Meterhohe Schneewehen häuften sich gegen die Nordseite des Hauses und unsere Veranda auf der Westseite. Laut Wetterbericht soll der Sturm die Nacht hindurch andauern.
Wir warteten eine Stunde und vier Minuten auf den Beginn der Sitzung - etwas bisher nie Dagewesenes. Wir schwiegen immer wieder lange. Um 22.05 Uhr sagte Jane: »Ich habe so ein Gefühl, als würde irgendwo da hinten eine Menge Material zusammengestellt; es ist bloß noch nicht bis hierher durchgedrungen. Sonderbar... ich glaube, ich habe mich noch nie so wie eben jetzt gefühlt, sonst würde ich mir einfach sagen, na wenn schon, und etwas anderes anfangen. Aber wenn heute abend keine Sitzung stattfindet, dann muß ich in der nächsten herausfinden, warum es diesmal nichts gewesen ist. Es ist so, als könnte ich um zwei Uhr früh aufwachen und sagen: ›O mein Gott, hier ist es...‹«
Die sonderbaren Empfindungen Janes gaben den Ausschlag, daß wir diese Sitzung hier einflechten, obwohl es
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