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Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Titel: Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Anja Dostert
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wieder mit rein, für die Optik. Die Sauce binden Sie mit einer modifizierten Stärke, damit sie auch eine angenehme Konsistenz bekommt. Das Produkt wirbt damit, ein guter Mundgefühlregulator zu sein. Innerlich schütteln Sie den Kopf über dieses Wort der Experten. Sahne ist Ihnen heute zu teuer: Ein Emulgator sorgt dafür, dass das billige Pflanzenfett bindet und die Sauce eine cremige Konsistenz bekommt. Frei von Fett würde die Sauce nicht besonders schmecken, hatte der Technologe Sie gewarnt. Fett, Salz und Zucker sind die wichtigsten Zutaten für schmackhafte Produkte, die den Appetit fördern. Also ordentlich Jodsalz dran und natürlich wieder Hefeextrakt. Sie ergänzen einen Teelöffel voll Zucker, da der Experte Ihnen dazu ebenfalls geraten hat. Damit Ihren Gästen das schlechte Gewissen erspart bleibt, wählen Sie eine Vollkornpasta. Weil der Name des Gerichts die Worte Weißwein und Sahne enthält, schütten sie kurzerhand einen winzigen Schluck von beidem in die Sauce. Für das Gewissen. Bei den Shrimps werden Sie heute schummeln, echte Shrimps haben Sie nicht gekauft. Sie haben gehört, dass solche Mogeleien sehr häufig vorkommen, daher wischen Sie Ihre Bedenken wieder zur Seite.
    - Hauptspeise -
    Vollkornpasta an sahniger Shrimps-Weißwein-Sauce
    Die Abbildung zeigt Spaghetti mit echten Shrimps. Im Hintergrund tummeln sich ein Weinglas, Knoblauch und Kräuter. Meeresfrüchte sind eine gute Quelle für fettarmes, hochwertiges Eiweiß, das wissen die Gäste. Vollkorn hält länger satt und senkt das Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko. Überhaupt ist mediterrane Kost gesund, Wein in Maßen ebenfalls.
    Als Nachspeise bieten sie ein Kirschdessert an. Kirschen sind viel zu teuer, sie besorgen sich stattdessen getrocknete Cranberrys und weichen diese zunächst ein. Dann werden die Cranberrys rot gefärbt und mit Kirscharoma versetzt. Für die Dessertcreme rühren Sie Magerjoghurt und Magerquark zusammen, es soll ja ein leichtes Dessert werden. Sie ergänzen mehr roten Farbstoff und Kirscharoma. Da die Magerpampe noch bescheiden schmeckt (hier hatte der Technologe Sie gewarnt!), löffeln Sie verbissen mehr und mehr Zucker in das Dessert. Sie wissen, dass man fehlendes Fett durch Zucker geschmacklich ausgleichen kann. Endlich wird das Dessert genießbar. Etwas in heißem Wasser aufgelöste Gelatine verbessert die Textur Ihres Produktes. Mit Mundgefühlregulatoren kennen Sie sich jetzt aus. Die Vegetarier werden die tierische Gelatine nicht bemerken, denken Sie bei sich, als Sie das Dessert in Gläser füllen und in den Kühlschrank stellen.
    - Dessert -
    Leichter Kirschtraum
    Den Namen finden Sie äußerst passend, Kirschen sind ja keine drin, nur ein Traum von Kirschen. Für die Menükarte wählen Sie eine Abbildung taufrischer Kirschen auf cremigem Joghurt. Beim Servieren erwähnen Sie natürlich nur den geringen Fettgehalt, ohnehin werden die Gäste vermuten, der Zucker stamme aus den Kirschen. Kirschen enthalten Zink und sollen entzündungshemmend wirken, darüber informieren Sie die Gäste. Cranberrys wirken gegen bakterielle Infektionen und gegen Herzkreislauferkrankungen, aber das müssen Sie heute verschweigen.
    Das Gesamtmenü präsentieren Sie als Eigenkreation mit den besten Elementen der mediterranen und regionalen Küche. Alles liebevoll nach traditionellem Rezept (der Lebensmitteltechnologen) hergestellt. Sie sind erstaunt, als sie die Schüsseln und Teller abräumen. Die Gäste haben richtig viel gegessen, dabei waren die Portionsgrößen durchaus üppig bemessen. Der leichte Kirschtraum wurde komplett verzehrt, die Gäste fragten sogar nach einem Nachschlag aus der Küche. Logisch, bei dem leichten Dessert hatte niemand ein schlechtes Gewissen wegen der Kalorien. Ihre Kosten waren minimal, allen hat es geschmeckt, die Gäste möchten wiederkommen. Nur einer Ihrer Gäste klagt später über Kopfschmerzen und einem roten Kopf, das ist aber nach ein paar Stunden wieder vorbei. Niemand hat hier Ihr Essen im Verdacht, es wird am Wetter gelegen haben. Alle lobten Ihre Kochkünste noch Wochen später und bitten um die Rezepte, was Sie jedoch mit einem Lächeln ablehnen.
    Klingt es für Sie surreal und befremdlich, so zu kochen? In der Lebensmittelproduktion stehen keine italienischen Mamas mit Schürze um einen großen Topf herum, in dem sie gemeinsam eine Tomatensauce zubereiten. Dies würde das Gesetz aus hygienischen Gründen gar nicht zulassen. Der Einsatz von Zusatzstoffen ist Alltag. Zulieferer

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