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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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aus einem Kritiker ein Schriftsteller werden könnte – umgekehrt immer, aber diese Entwicklung: Glückwunsch, honey. Ich freue mich schon auf die Verfilmung mit dir als Cherubim, Deine Belle (längst dankbar, daß ihr Buch keinen Segen erhielt). Die anderen Briefe kamen von Universitäten, Einladungen zu Gastvorträgen etc., oder waren Dank- und Bittschreiben; literarische Zirkel sandten ihre Jahresarbeiten, Liebhaber ersuchten um Schriftproben, jüngere Kollegen um Rat. Butterworth mußte seinen ganzen Willen aufbieten, um den Gedankenflug zu unterbrechen. Er legte die Kopien beiseite und nahm sich den Rohentwurf vor. Fünfzig Kapitel und noch keins geschrieben. Der Roman stand in den Sternen; nur im Hinblick auf sein Ende lagen die Dinge einfach, da hatte er Glück im Unglück gehabt. Der Tod als Ausgang einer Geschichte war ja keine unbequeme Lösung. Sofern er sich an die Wahrheit hielte; vielleicht sollte er sich freimachen von dem, was geschehen war. Wer schreibt, muß wissen, wofür er bestaunt werden will, für ein aufregendes Leben oder viel Phantasie. Warum erfand er nicht völlig neue Figuren – damit würde sich manches vereinfachen. So entfiele die Frage, wie oft man Horgans Faden erwähnen durfte – viermal? fünfmal? Also Tabula rasa. Butterworth schloß die Arbeitsmappe und löste seine Brillenbefestigung. Stark sein müßte er. Eine nicht eben zimperliche Mischung aus Missionar außer Dienst, Schriftsteller in spe und Spion in eigener Sache. Er würde das mit McEllis besprechen. Sobald es dem Armen besser ginge. Das Doppelbegräbnis schien ihn mitgenommen zu haben. Anders waren die seltsamen Laute von nebenan nicht zu erklären, wenn es dafür überhaupt eine Erklärung gab . . . Der bleiche Priester löschte das Licht. Er wollte beten und dann schlafen, doch der Höhenflug ging weiter. Vor einem Kolloquium in Princeton formulierte er seinen kategorischen Imperativ. Schreibe stets so, daß du eines ewigen Wiederlesens nicht leid würdest!
    Für die Laute aus der Nebenkammer gab es eine einfache Erklärung. McEllis stand dort mit dem Rücken zur Wand, die Hände beschwörend erhoben – drei seiner Finger waren verpflastert –, und gurrte, flötete und sprach zum Bett hin. Auf seinem Kopfkeil lag ein Hundeweibchen, jung, mit langen Ohren und einem Fell wie eine Sahnehaube. Sie sah ihn gleichgültig an. Auch als er ihr Zuckerwürfel zuwarf, bebte nur ihr Steiß. Erst als er sie auf den Boden setzen wollte, rührte sie sich. Sie zeigte spitze Zähne. McEllis zuckte zurück und versuchte es anders. Er entschuldigte sich für die Gefangennahme, er nannte sie überstürzt. »Irgend etwas geschah mit mir. Augustin sprach mich an, und schon lief ich los.« McEllis dachte über dieses Etwas nach. Der Anblick der Hunde war’s nicht gewesen. Zwar hatte er daran gedacht, sich das Junge zu schnappen, doch den Gedanken gleich verworfen. Er zerbrach sich den Kopf, eine vergebliche Mühe. Der leise Klang seines Namens konnte ihn leichtsinnig machen; aber davon wußte er nichts.
    Die junge Hündin gähnte, und McEllis wechselte erneut die Taktik. Er machte Versprechungen. Sie betrafen die Ernährung, den Ausgang, den Umgang und die Privilegien im Haus. Es gebe da auch zusätzliche Türen, die im Moment nur geschlossen und unsichtbar seien. »Ein Tag Arbeit, und alle sind im alten Zustand; also komm jetzt von meinem Bett«, sagte er und sah der Unnahbaren bittend in die Augen, worauf sie diese langsam schloß. McEllis versuchte es dann noch einmal mit Zucker, ehe er nachgab. Es hatte ja immer schwierig begonnen; offenbar zogen ihn kapriziöse Hündinnen an. Am besten nicht beachten. Er setzte sich an den Tisch und blätterte im Wetterbuch. Mister Kurt war nicht mehr am Leben. Und er der Wegbereiter dieses Endes. Immer wieder dachte McEllis daran. Der Gedanke verfolgte ihn so, daß er ihn nicht aufschreiben konnte. Er konnte gar nichts mehr aufschreiben, nicht einmal den üblichen Morgenvermerk. Nach vierzig Jahren klaffte die erste Lücke. McEllis las seine letzte Eintragung. »Flores brachte die Nachricht, der Deutsche sei tot. Ein Unfall. Verzweiflung bei uns allen. Kein Trost, nicht der kleinste; fünf Überlebende. Was wird aus Mayla, was aus mir? Wie kann ich diese Stunde überstehen? (Wolkenloser Himmel, Morgensamt, Dunst aus dem Tal; feiner Tagmond, Sichel. Infanta, den zwanzigsten.)« Er unterstrich das Todesdatum und überlegte, ob er nachtragen sollte, was in den vergangenen Tagen geschehen war.

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