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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Brandflecken hinwies. »Ich habe die Geschichte von der Sirene eigenhändig aus dem Feuer geholt«, sagte sie. Dalla Rosa war gerührt; er reihte das Buch wieder ein und unternahm einen zweiten Versuch mit Anna Karenina. »Das wird Sie eine Zeitlang vom Verlust des weltlichen Besitzes ablenken.« Doña Elvira nahm den Roman entgegen, und Butterworth riet zu langsamem Lesen. In ihrem Zustand sei der Schluß nur eine weitere Belastung. Horgan widersprach. Gute Literatur schade nie. Ein leiser Disput begann. Erst als McEllis »Es ist soweit« sagte, breitete sich Schweigen aus. Man ging zu den Toten.
    Beide Särge hatten am Kopfende ein Fenster. Von Gregorio sah man nur Haare, Stirn und Lider, grau in grau und schon puppenhaft verkleinert; über den zerstörten Stellen lagen weiße Schleifen. Von Kurt Lukas sah man das ganze Gesicht. Gary Cooper-Gomez hatte es rasiert, das gestockte Blut aus den Haaren gewaschen und dem Toten eine Frisur nach der Anzeige aus der Schriftsteller-Bar gelegt; jegliches Pudern hatten die Alten verboten. »Mister Kurts Gesicht«, notierte Butterworth, »hatte den Farbton getrockneter Tabakblätter und zeigte auch deren feine Knitterung; das Zuviel darin war verschwunden.« Der bleiche Priester begleitete den Sarg, den Augustin und der Bischof vor die Veranda schleppten, sah dabei in sein Gebetbuch, zeigte das berühmte Lippenspiel und schrieb auf einem eingelegten Blatt, ohne mit der Wimper zu zucken. Nachdem beide Särge am oberen Ende des verlegten Wegs abgestellt waren und sämtliche Windlichter brannten, formierte sich der Trauerzug.
    An der Spitze standen Pacquin und De Castro. Hinter den beiden trugen McEllis, Dalla Rosa, Butterworth und Crisostomo den Sarg mit Gregorios Leiche, dann folgte Flores, die Horgan schob; danach kamen Doña Elvira, Romulus, der Novize und Mayla mit dem schwereren Sarg. Den Schluß bildeten zwei neugierige Hunde. Wie bei Gussmanns Begräbnis bestimmte der Superior das Tempo des Zugs, und so bewegte sich die kleine Prozession schneckenartig über alle vierzig Stufen bis zu den Kletterrosen.
    Nach Absetzen der Särge neben den Gruben und einem stillen Gebet trat McEllis vor die Trauernden. Er hatte sich vorgenommen, dieser nächtlichen Zusammenkunft an offenen Gräbern alles Gespenstische zu nehmen, aber nicht an den eigenen Anblick gedacht. Mit seiner hageren Gestalt in der grauen Soutane, angeflackert von den roten Windlichtern, erinnerte er an den klassischen Untoten und Wiederkehrer aus den bunten Geisterheftchen, die nun zu Kurt Lukas’ Erbmasse zählten. McEllis spürte das, als er zu der Rede anheben wollte, und sah darum über alle Köpfe hinweg auf die steile Wiese – wie Zuschauer mit Galerieplätzen saßen dort die neugierigen Hunde, inzwischen schon drei. Wer nicht über sich selbst hinauswächst, wächst gar nicht, hieß sein Anfangssatz, den er auswendig konnte, und diese Worte lagen ihm auch schon auf der Zunge, und dort lagen sie fest. Er stand zwischen den Särgen, bewegte die Lippen und brachte keinen Ton über sie, so verstrich eine Minute. Dann lief es zehn der zwölf Anwesenden kalt über den Rücken. McEllis, noch immer die Lippen bewegend, schien auf einmal zu singen. Doña Elvira erlöste den stummen Redner.
    Sie blieb in der Gruppe, aber die Umstehenden traten zur Seite, als wollten sie ihr Raum und Luft überlassen. Bis auf Augustin kannte keiner das Lied, und keiner kam auf den Gedanken, es sei vielleicht ein weltliches. Mit der ihr eigenen gelassenen Inbrunst sang sie Il Mondo, allerdings verlangsamt und ohne die geringste Hüftbewegung. Sie trug sämtliche Strophen vor, wobei sie sich nicht sämtlicher Zeilen entsann und neue italienische Worte erfand. La notte giottoquattro lottarini, la la la in cristo hieß ihr Refrain, den sie wie ein Gebet gen Himmel schickte; ohne Bühne, Licht und Lärm rehabilitierte sie alle Schnulzen dieser Welt.
    Nach dem letzten Ton blieb McEllis nur noch, die Formeln zu sprechen, mit denen man Tote zur Erde bestattet; seine Lähmung war vorüber. Während Crisostomo und der Sergeant das Ihre taten, tat er das Seine. Als beide Särge in den Gruben waren, schwankte er und mußte gestützt werden. Eingerahmt von Butterworth und dem Bischof, ging er auf Mayla zu und forderte sie auf, Erde zu streuen. Sie nahm eine Handvoll und warf sie, nach kurzem Zögern, zuerst auf Gregorios Sarg und dann auf den des toten Deutschen. An diese Reihenfolge hielten sich auch die anderen. Zu der Erde kamen noch zwei

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