Infanta (German Edition)
hatte er keine Erfahrung mit Hunden.
»Fassen Sie sie ruhig an, Mister Kurt, sie wartet darauf. Amerikaner? »
»Deutscher. Und kein Theologe. Auch wenn ich bunte Stoffe vermeide.«
»Ich bin Father McEllis. Und Sie, Tourist? Oder was verschlägt einen Menschen auf diese große unruhige Insel?« Er bekam keine Antwort und machte ein paar halbentschlossene Schritte. Nach und nach ging er über den Platz, mal etwas langsamer als der Deutsche, mal etwas schneller. Kurz vor der Straße fragte er ihn, warum er gerade an diesem Ort aus dem Taxi gestiegen sei.
»Der Fahrer wollte mich zu einem bestimmten Hotel bringen. Aber ich suche mir meine Hotels selbst. Außerdem schien hier noch die Sonne.«
McEllis klopfte die Pfeife an einem der Plakate aus, von dem der Präsident durch eine feine Schlammschicht sah. Ein Deutscher also. Er hatte nichts gegen dieses ferne, fast schon arktische Land. Im Gegenteil. Ein früherer Mitbruder hatte nur Wissenswertes berichtet, von Fasnachtsbräuchen und philosophischen Zirkeln im Schwarzwald, auch vom sagenumwobenen Rhein. »Es heißt, die Menschen in Ihrem Land seien romantisch.«
»Das weiß ich nicht. Ich lebe in Rom.«
McEllis griff an seinen fein gestutzten weißen Schnurrbart und blieb stehen. Die Höflichkeit verbot ihm weitere Fragen, und er entschloß sich zu einem der plumpesten Mittel, ein Gespräch zu beleben. Er nannte den Namen der Hündin – West-Virginia – und hatte Erfolg. Der Deutsche erkundigte sich nach Rasse und Alter, fragte ihn, woher er komme, wollte wissen, was ein amerikanischer Geistlicher hier mache, war überrascht, daß es noch Missionare gab, und stellte sich plötzlich mit Lukas vor.
»Mister Lukas Kurt?«
»Mister Kurt Lukas.«
»Dann stand auf dem Aufkleber Ihr Vorname.«
»Jemand hat sich geirrt. Wie Sie.«
McEllis nickte sanft. Seine erstaunlich blauen Augen bewahrten ein Lächeln und schweiften dabei etwas ab, was sogar Gemeindeschwestern nervös machen konnte; Männer sprachen nur vom Vogelblick des Priesters. »Ihr Name fordert diesen Irrtum heraus, Mister Kurt, wenn ich bei meiner Anrede bleiben darf.«
»Ich habe nichts dagegen.«
»Wunderbar. Katholik?«
»Protestant.«
»Naß wurden Sie trotzdem.«
Der Deutsche schulterte sein Gepäck, eine Reisetasche. »Also dann«, sagte er mit einer leichten Verbeugung.
»Was heißt also dann – wir hatten das große Glück, uns zu begegnen; die Regenwolken waren schon am Abziehen, da sprang der Wind um.«
»Wenn Sie es so sehen.« Der Deutsche nahm seine Tasche wieder in die Hand, und McEllis spitzte die Lippen; beide überquerten die Straße.
Sie kamen an kleinen, über Mittag geschlossenen Läden vorbei, hielten sich im Schatten und schwiegen. Schaufenster und Wände waren mit Wahlplakaten bedeckt. Die Kandidaten glichen sich in ihrem Ausdruck, als hätten sie vor der Kamera alle an Christus den Erlöser gedacht. Dem einen stand es, dem anderen nicht. Am wenigsten stand es dem Präsidenten; sein Porträt klebte sogar an staubigen Palmen. »Eine Wahl, und das bei der Hitze«, sagte der Deutsche.
»Ja, eine Wahl; die erste nach zwanzig Jahren. Und im übrigen wird die Hitze noch schlimmer. Auch die Verhältnisse. Oder kennen Sie sich etwas aus hier?«
»Ich weiß nur, daß der Präsident reich ist und das Volk arm. Aber das könnte auch woanders spielen.«
McEllis gab ihm recht. Er nahm die Hündin unter den Arm und fächelte ihr Luft zu. Aus der raschen Bewegung heraus deutete er landeinwärts. »Sehen Sie diese zerfetzten Säcke von Wolken, Mister Kurt? Solche Bilder gibt es nur hier.« Es waren die Wolken, aus denen der Regen gefallen war; sie hingen jetzt über bewaldetem Vorgebirge. »Ich kenne kein prächtigeres Schauspiel als den Himmel über dieser Insel. Besonders nachts. Aber vielleicht machen Sie sich nichts aus Sternen.«
»Aus Sternen? Doch, doch.«
»Es gibt bei uns Nächte, da nimmt einem das Himmelsgefunkel den Atem. Sie können mitkommen, wenn Sie wollen.«
»Und wohin?«
McEllis deutete wieder landeinwärts. »Dorthin, wo ich lebe. Ich habe hier nur für jemanden die Messe gelesen und ein paar Dinge erledigt.«
»Woher wissen Sie, daß ich Zeit habe?«
»Wenn nicht, hätten Sie gleich widersprochen.«
»Und wenn ich jetzt noch widerspreche?«
Der Priester forderte ihn mit einem Blick dazu auf, während er einen Fuß vor den anderen setzte. Fast unmerklich ging er voraus. »Warum sollten Sie widersprechen? Wer mit Gepäck in die Kirche kommt, der hat
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