Inferno - Höllensturz
Sein zahnloser Mund öffnete und schloss sich wie der eines Fisches auf dem Trockenen. Die knochigen Finger hielt er auf seinen Bauch gepresst, und das war kein schöner Anblick.
Die Bauchdecke war nämlich aufgeschlitzt worden.
In den wenigen Augenblicken, die Ryan den Marktplatz betrachtet hatte, war der Mann ausgeweidet worden. Seine Finger tasteten verzweifelt in der leeren Bauchhöhle umher, suchten nach den Organen, die nicht mehr da waren.
»Dafür zahlt uns der Innereien-Wahrsager ein Vermögen«, erklärte eine brüchige Stimme begeistert. Und sie erhielt zur Antwort: »Darauf kannst du wetten. Frische Eingeweide!«
Ryan war sich nicht sicher. Er hoffte , dass er zu viel Rauch eingeatmet hatte und darauf mit Halluzinationen reagierte. Dennoch glaubte er aber, zwei Dinge feststellen zu können: Erstens, die beiden eben gehörten Stimmen waren nicht menschlich; und zweitens, mehrere gedrungene Gestalten waren gerade zusammen im Rauch davongeschlurft. Es sah aus, als hielten die Gestalten etwas Nasses und Matschiges in den klauenartigen Händen, und zudem schienen sie auch noch Hörner zu haben.
Keine Trompeten oder sonstige Blasinstrumente, nicht solche Hörner.
Hörner auf der Stirn.
Als Ryan wieder zurück zum Streifenwagen der Einheit 208 kam, hallten die letzten Worte seines Partners noch in seinem Kopf wider: Das ist vollkommen abgefahren . Dieser Eindruck verstärkte sich um ein Vielfaches, als er seinen Partner genauer betrachtete, der immer noch hinter dem Steuer saß.
Das sah überhaupt nicht gut aus. Cooper klemmte bebend auf dem Sitz, vornübergebeugt. Seine Haut wirkte eingetrocknet, als hätte ein vampirartiges Wesen ihm ein Gutteil seiner Körperflüssigkeit entzogen. Doch das war kein Vampir, was sich da mit seinem Hakenmaul in Coopers Nacken festgesaugt hatte. Es war eine Parasitenart, die in dieser Welt völlig unbekannt ist, in einer anderen aber democephalus exsanguinius genannt wird, oder weniger kompliziert: Caco-Zecke. Eine Art Kanüle schob sich aus ihren Mandibeln, bohrte sich in Coopers Nacken und durch die Halsschlagader weiter nach oben unter die Schädeldecke, um dort die gesamte Rückenmarksflüssigkeit des Opfers herauszusaugen. Wenn sie damit fertig war, wanderte die Kanüle weiter zum corpus callosum , wo sie die nächsten Stunden in aller Gemütsruhe Coopers Blut durch das Gehirn ausnuckelte. Inzwischen war die Caco-Zecke schon hübsch angeschwollen, etwa auf die Größe einer Ananas. Der geäderte Blutspeicher des Parasiten zitterte, während er weiter saugte.
Officer Ryan hatte keine Zeit, wieder in den Streifenwagen zu steigen – vorausgesetzt, er hätte überhaupt wieder einsteigen wollen in Anbetracht der weiteren Insassen. Jemand tippte ihm auf die Schulter, und als er sich umdrehte …
… stand er vor einem gewaltigen Problem. Es war Cooper. Neben ihm. Und genau das war das Problem. Es spielte erst mal keine Rolle, dass Cooper einen irren Blick hatte, splitterfasernackt war und dümmlich grinste. Das Problem war viel unmittelbarer: Wie konnte Cooper neben ihm stehen, wenn er ihn doch gerade noch zusammengesackt am Steuer des Streifenwagens gesehen hatte, mit einer Riesenzecke im Nacken?
»Hey, Kumpel!«, scherzte Cooper. »Wie wär’s, wenn wir uns ein Nümmerchen auftreiben?«
Ryan trat einen Schritt zurück. Warum gibt es zwei Coopers? , fragte er sich verstört. Dann trat er noch weiter zurück.
Aus dem Nichts zog Cooper ein Fleischerbeil von beachtlicher Größe hervor und stürzte sich ohne innezuhalten auf seinen Partner. Das Fleischerbeil schwang er mit solch rasender Geschwindigkeit hin und her, dass die Klinge nur als Schemen zu erkennen war. »Ich muss ein Schwein schlachten!«
Ryan pumpte sein gesamtes Revolvermagazin in Coopers Brust, doch das hielt seinen ehemaligen Partner nicht auf. Merkwürdig war allerdings, was aus der furchtbaren Wunde in seiner Brust herauskam. Kein Blut, wie man vielleicht erwarten würde, sondern ein eigenartiger organischer Brei, wie grobes Hackfleisch.
Nun jagte Cooper Ryan um den Streifenwagen herum, das Hackebeil schwang wie verrückt hin und her, doch als genug von dem Brei aus seiner Brust gequollen war, wurde er allmählich langsamer und sackte schließlich in sich zusammen. Was auch immer Ryan um das Auto herumgejagt hatte, war nicht der echte Cooper gewesen, sondern eine Art animierter Fleischpuppe, die lediglich aussah wie Cooper. Inzwischen – nach allem, was er hier gerade erlebt hatte – kapierte
Weitere Kostenlose Bücher