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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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am Meer untergebracht, wenn er gewollt hätte. Doch Walter war klar, dass ein Apartment mit Seeblick keine gute Idee war, um sich sozial anzupassen. Er wollte Leute treffen, Teil der »Szene« sein, Freunde finden und mit ihnen lustige Sachen unternehmen. Nichts davon hatte funktioniert; Walter war wirklich und wahrhaftig uncool, und daher Ziel jeglicher Art von Streichen, die den anderen Studenten so einfielen. Hundescheiße in den Turnschuhen, Kakerlaken auf seinem Cheeseburger in der Cafeteria, Tabasco in seinem Suspensorium im Sportunterricht, mit Sirup gefüllte Wasserballons, die ihm auf dem Heimweg von den Vorlesungen auf den Kopf fielen. Eines Abends hatten einige Jungs aus seinem Stockwerk im Wohnheim seine Physikbücher mit Sekundenkleber zugeklebt, genau als Colin vorbeikam, um nach dem Rechten zu sehen. Colin sah auf dieselbe Weise uncool aus wie Walter, doch Colin interessierte das nicht die Bohne. Wenn man Multimillionär war, musste einen so etwas nicht interessieren. »Hallo ihr Arschgeigen«, hatte Colin an diesem Abend zu Walters Folterknechten gesagt. »Jeder, der meinem Bruder an die Wäsche geht, kriegt einen Tritt in den Sack.« Einer der Studenten hatte in Anbetracht von Colins zerbrechlicher Statur herausfordernd gefragt: »Ach ja? Und von wem? Von dir etwa?«
    »Nein, nicht von mir«, erklärte Colin sachlich. »Von diesen Jungs hier.« Damit wies Colin auf die anderen Gentlemen, die mit ihm ins Zimmer getreten waren: vier ziemlich psychotisch aussehende Rockertypen, allesamt Mitglieder einer örtlichen Motorradgang namens »Die Scharfrichter von St. Pete«. Einer von ihnen schlug prompt wie aufs Stichwort mit der Faust ein Loch in die Wand. Ein anderer wirbelte mit einem fünfundzwanzig Zentimeter langen Butterflymesser herum. War das Rost da auf der Klinge oder getrocknetes Blut?
    »Walter ist unser Freund«, teilte er dem neunmalklugen Studenten mit von jahrelangem PCP-Missbrauch versengter Stimme mit. »Wenn du ihm jemals wieder auf die Nerven gehst«, der Rocker grinste durch schwarze Zahnreihen, »schneide ich dir deinen kleinen Pimmel ab und steck ihn deiner Mama in den Mund.«
    Niemand kam Walter je wieder zu nahe. Colin hatte die Rocker nur angeheuert, um etwas klarzustellen, und er würde sie wieder anheuern, wenn ihre Dienste vonnöten wären. Doch dazu kam es nicht.
    Doch genau als Walter begriff, dass er vermutlich niemals von den anderen akzeptiert würde, traf er Candice.
    Das Mädchen meiner Träume , dachte er nun sehnsüchtig, Liebe im Herzen und ein Kaliber Zwölf Flintenlaufgeschoss in der Hand.
    Ja, Candice.
    Mittelmeerblaue Augen, langes blondes Haar, das bis über die Hüfte reichte, eins fünfundsiebzig groß. Schön wie ein Model in einer Autozeitschrift. Candice hatte kein besonderes Spezialgebiet am College und konnte sich mit ihren sechsundzwanzig Jahren brüsten, die älteste eingeschriebene Studienanfängerin zu sein. Ihre Eltern sorgten dafür, dass sie durchs College kam – um ihr bei der Suche nach ihrer wahren Begabung zu helfen und um sie und ihre krummen Dinger aus ihrer Strandvilla in North Hampton, New York, fern zu halten. In Wahrheit allerdings lag ihre Begabung mehr im oralen als im akademischen Bereich, wie so ungefähr jeder männliche Sportler der Schule sowie auch fast jeder männliche Dozent bezeugen konnte. Sie wusste sogar, dass sie sich mit ein bisschen persönlichem Einsatz um einiges schneller zum College-Abschluss blasen könnte, doch ihr Standpunkt war: Wozu die Eile? Obwohl Candice die reinste Verkörperung jeden sexistischen Klischees war, machte ihr das überhaupt nichts aus. Sie fand es toll.
    Und Walter fand sie toll. Er glaubte aus tiefstem Herzen an Liebe auf den ersten Blick, denn was sollten diese Gefühle sein, wenn nicht Liebe? Er liebte sie, seit er sie zum ersten Mal im Fernsehraum gesehen hatte, wo sie uralte Folgen von Baywatch schaute anstatt zu lernen. Walter hatte sich eine Limo geholt und überflog ein Kapitel über die molekulare Beschaffenheit von Cäsium und seine Relation zu schwach ionisierenden Energiefeldern. Ein Kinderspiel. Als er aber aufsah, saß da das schönste Mädchen, das er in seinen achtzehn Lebensjahren je erblickt hatte. Am selben Tisch, ihm direkt gegenüber. Sie lächelte ihn an – es war ein sorgenvolles Lächeln, aber trotz allem ein Lächeln – und dann strich sie sich das schimmernde blonde Haar aus der Stirn und sagte: »Hi.«
    Walter bekam beinahe einen schweren epileptischen Anfall, als sie

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