Inferno - Höllensturz
sie wieder da, kam aus der Küche und hielt etwas in der Hand. Walters Augen fielen beinahe aus seinem Kopf. Er sah nicht auf das, was sie in der Hand hielt, er sah sie an. Der Anblick ihres perfekten Körpers traf ihn wie ein Schlag vor den Kopf.
»Ach ja, die Tattoos«, meinte Colin. »Du hast sie noch nicht gesehen.«
Jetzt sah Walter sie aber, und das erklärte einiges. Augustina kam leise herein, immer noch vollkommen nackt, ihr Körper so kurvig und kraftvoll wie der eines Playmates. Ihr glattes schwarzes Haar schimmerte und tanzte auf ihren Schultern, die perfekten Brüste ragten hervor. Doch Walter starrte noch nicht einmal diesen makellosen Körper an. Die glatte weiße Haut wirkte beinahe kariert durch rabenschwarze Tätowierungen von den Füßen bis hinauf zum Hals. Doch die Tätowierungen stellten keine Quadrate dar. Es waren umgedrehte Kreuze.
»Scharf, was?«, bemerkte Colin.
»Was?« Endlich brachte Walter ein Wort heraus. »Ist sie eine Satanistin?«
»Nein, nein, Brüderchen. Augustina ist keine Satanistin, sie ist nur ein kleines Spielzeug, das ich bekommen habe, eine Puppe für große Jungs. Ich bin der Satanist.«
Colin grinste noch breiter. Die Frau lächelte auch, sie lächelte Walter direkt an, die Augen so dunkel wie Lava.
»Ich möchte eine Erklärung«, fing Walter an, immer noch nicht in der Lage, sich aus dem Rollstuhl zu erheben.
»Wieso die Eile?« Colin warf einen flüchtigen Blick auf eine tickende Pendeluhr mit einem Mondgesicht. Kunstvoll gestaltete Zeiger bewegten sich auf halb zwölf zu. »Wir haben noch eine halbe Stunde, also lass uns dieses teure Zeug probieren.«
Augustina leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen, als sie ein kleines Döschen Kaviar öffnete. »Versuch mal, Walter«, forderte Colin ihn auf.
»Nein, danke.«
»Na gut. Das kostet fünf Riesen die Dose. Kommt aus dem Iran, angeblich der beste, den es gibt.« Colin ignorierte die winzigen Kaviarlöffel aus Platin und steckte stattdessen zwei Finger in die schwarz glänzende Masse. Er saugte den Kaviar von den Fingern, zuckte zusammen und spuckte ihn wieder aus. »Das schmeckt ja furchtbar! Mann, bin ich ein Penner.« Er warf die Dose durch die Tür über den Balkon. »Stil kann man wohl nicht kaufen, was?«
»Colin, was ist hier los?«
Augustina stieg in den Whirlpool; sie stellte sich hinter Colin und massierte seine Schultern, doch sie sah dabei Walter in die Augen. »Nein, Stil kann man nicht kaufen, was wohl bedeutet, dass man nicht immer bekommt, was man will. Man muss das Beste aus dem machen, was man hat , stimmt’s? Das muss man sich zu Nutze machen. Jeder wird mit etwas geboren. Nimm Augustina. Sie benutzt ihre Schönheit für ihre eigenen Zwecke. Und du, Walter, du bist intelligent, und du warst dabei, das zu deinem größtmöglichen Vorteil zu nutzen. Aber ich? Was habe ich schon? Ich werd’s dir sagen: Ich habe Ehrgeiz.«
Walter kapierte nicht, worauf sein Bruder hinauswollte.
»Das ist es. Ich seh nicht gut aus, ich bin nicht schlau, ich hab kein Charisma, und ich hab definitiv keinen Stil. Also muss ich bei dem bleiben, was ich habe.«
»Colin, das ist wirklich seltsam …«
Colin und Augustina stiegen beide gleichzeitig aus der Wanne und kamen von zwei Seiten auf Walter zu.
»Aber manchmal versaut man es, richtig?«, fuhr Colin fort. »Wie diese Enron-Arschlöcher zum Beispiel. Sie hatten alles, aber jetzt sitzen sie im Knast. Und noch ein Beispiel – du. So viel Potential, so viel Grips im Kopf, und dann hättest du ihn beinahe über dein ganzes Wohnheimzimmer verteilt. Und warum? Wegen einer Frau. Aber nein, ich werde es nicht versauen, ich nicht …«
Augustina stand nun hinter dem Rollstuhl, während Colin sich in seiner albernen, weiten Badehose vor Walter aufbaute. Hatte sich das Kerzenlicht tatsächlich verdunkelt? Colins Stimme schien gleichzeitig ein raueres Timbre zu bekommen. »Du hättest beinahe alles vermasselt, und du weißt es noch nicht mal; es hätte nicht so früh passieren dürfen. Ich hab einen Deal gemacht – wie, glaubst du, bin ich an all das Geld gekommen?«
»Was redest du da überhaupt?«
»Du und ich, wir haben beide ein Schicksal. Mein Schicksal ist es dafür zu sorgen, dass du deins erfüllst.«
»Ich finde das alles unheimlich, Colin! Wovon sprichst du?«
»Ich spreche über die Unendlichkeit, Bruderherz. Ich spreche über Unsterblichkeit und Dinge, die nie aufhören. Es gibt Geheimnisse, die nicht von dieser Welt sind. Ich weiß
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