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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Brown
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bemerkenswert gut sitzenden Brioni-Anzug von Siennas Nachbarn, und selbst die Halbschuhe waren bequem. Langdon nahm sich vor, zu italienischem Schuhwerk zu wechseln, sobald er wieder zu Hause wäre.
    Falls ich je wieder nach Hause komme , dachte er.
    Sienna wirkte wie verwandelt. Sie war ohnehin eine natürliche Schönheit, und nun betonten die eng sitzenden Jeans und der cremefarbene Pullover ihre geschmeidige Gestalt zusätzlich. Ihr Haar war noch immer zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Ohne den Arztkittel wirkte sie irgendwie verletzlicher, und Langdon bemerkte, dass ihre Augen gerötet waren, als hätte sie geweint. Nicht zum ersten Mal in dieser Nacht wurde er von überwältigenden Schuldgefühlen gepackt.
    »Sienna, es tut mir so leid. Ich habe die Nachricht auf dem Anrufbeantworter mitgehört. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
    »Danke«, erwiderte sie. »Aber im Augenblick müssen wir uns auf Sie konzentrieren, Robert.«
    Ihr Ton war bestimmt und erinnerte Langdon an die Artikel über ihren gigantischen Intellekt und ihre erstaunliche Kindheit, die er wenige Minuten zuvor gelesen hatte.
    »Sie müssen nachdenken, Robert. Bitte setzen Sie sich.« Sie deutete auf einen Stuhl. »Können Sie sich erinnern, wie wir hierhergekommen sind, in diese Wohnung?«
    Langdon verstand nicht, inwiefern diese Frage wichtig sein sollte. »In einem Taxi«, antwortete er und nahm am Tisch Platz. »Jemand hat auf uns geschossen.«
    »Damit das klar ist – jemand hat auf Sie geschossen, Robert. Nicht auf mich .«
    »Ja. Entschuldigung.«
    »Und erinnern Sie sich an Schüsse, während wir im Taxi waren?«
    Eigenartige Frage . »Ja. Zwei Schüsse. Einer hat den Außenspiegel getroffen, der andere die Heckscheibe.«
    »Gut. Jetzt schließen Sie bitte die Augen.«
    Langdon begriff, dass sie sein Gedächtnis untersuchte. Er schloss die Augen.
    »Was habe ich an?«
    Langdon sah sie klar und deutlich vor sich. »Flache Schuhe, Bluejeans, einen cremefarbenen Pullover mit V-Ausschnitt. Ihre Haare sind blond und schulterlang und zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Ihre Augen sind braun.«
    Langdon öffnete die Augen und musterte sie. Zufrieden stellte er fest, dass sein eidetisches Gedächtnis wieder normal funktionierte.
    »Gut. Ihr visuell-kognitives Imprinting ist exzellent, was bestätigt, dass Ihre Amnesie vollkommen abklingen wird und Ihre Gedächtnisprozesse keine bleibenden Schäden davontragen. Ist Ihnen inzwischen irgendetwas Neues aus dem Zeitraum der letzten paar Tage eingefallen?«
    »Leider nein. Allerdings hatte ich schon wieder Visionen, während Sie weg waren.«
    Langdon erzählte ihr von der Vision mit der verschleierten Frau, den Massen toter oder sterbender Leiber und dem umgekehrt eingegrabenen Mann, dessen Beine in der Luft zappelten und mit einem R markiert waren. Dann beschrieb er ihr die unheimliche, am Himmel schwebende Schnabelmaske.
    »›Ich bin der Tod?‹«, fragte sie und blickte ihn besorgt an.
    »Genau das hat sie gesagt, ja.«
    »Okay. Ich schätze, das ist deutlicher als ›Ich bin der Tod, Zerstörer der Welten‹.«
    Die junge Frau hatte soeben Robert Oppenheimer beim Test der ersten Atombombe zitiert.
    »Und diese geschnäbelte Maske?«, fragte sie und sah ihn grübelnd an. »Haben Sie eine Vermutung, warum Ihr Verstand dieses Bild heraufbeschworen hat?«
    »Keine Ahnung. Aber der Stil stammt aus dem Mittelalter. Diese Masken waren damals weit verbreitet.« Langdon zögerte. »Das sind sogenannte Pestmasken.«
    Sienna sah ihn merkwürdig verunsichert an. »Eine Pestmaske?«
    Langdon erklärte ihr, dass in seiner Welt der Symbole die einzigartige Form der langschnäbeligen Maske ein Synonym war für den Schwarzen Tod – die Seuche, die im vierzehnten Jahrhundert über Europa hinweggefegt war und in manchen Gegenden die Hälfte der Bevölkerung ausgelöscht hatte. Die meisten Wissenschaftler nahmen an, das Wort »schwarz« in »Schwarzer Tod« sei ein Verweis auf das Dunkelwerden der Haut des Opfers, hervorgerufen durch Wundbrand und Blutungen unter der Epidermis. Doch in Wirklichkeit leitete es sich ab aus der tiefgreifenden Angst, die die Pandemie in der Bevölkerung ausgelöst hatte.
    »Diese langschnäbelige Maske«, fuhr Langdon fort, »wurde von den Pestdoktoren des Mittelalters getragen. Sie sollte die ›Pestilenz‹ von ihren Nasen fernhalten, während sie die Infizierten behandelten. Heutzutage sieht man sie nur noch bei Kostümen im Karneval von Venedig – die schaurige

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