Inka Gold
dem Afterthermometer lauerte.
»Ist er etwa kein braver Patient?« fragte Di Maggio.
»Ich habe schon bravere erlebt.«
»Verdammt noch mal, ich wünschte, Sie würden mir endlich einen Pyjama geben«, sagte Gunn gehässig, »statt dieses kurzen, neckischen Nachthemds, das man am Rücken zusammenbinden muß.«
»Krankenhausnachthemden sind aus einem bestimmten Grund so geschnitten«, erwiderte die Schwester schnippisch.
»Ich wünschte bei Gott, Sie würden ihn mir erklären.«
»Ich geh’ jetzt lieber und lass’ Sie allein«, sagte Di Maggio, bevor er sich zurückzog. »Viel Glück und gute Besserung.«
»Danke, daß Sie mir über Pitt Bescheid gesagt haben«, antwortete Gunn.
»Keine Ursache.«
»Sie ruhen sich jetzt aus«, befahl die Schwester. »In einer Stunde komme ich wieder und bringe Ihre Medikamente.«
Tatsächlich kehrte die Schwester genau eine Stunde später zurück. Doch das Bett war leer.
Gunn, der nichts weiter trug als das knappe, kleine Nachthemd und ein Laken, hatte die Flucht ergriffen.
Komischerweise erfuhr man es an Bord der
Alhambra
zuallerletzt.
Loren und Sandecker standen neben dem Pierce Arrow und besprachen sich mit der mexikanischen Kriminalpolizei, als der Besitzer eines luxuriösen Speedbootes, das bei einer Tankstelle in der Nähe vertäut war, die Nachricht von Pitts Rettung überbrachte. Er schrie ihne n die Nachricht über das Wasser zu.
»Fähre ahoi!«
Miles Rodgers stand gerade am Ruderhaus und redete mit Shannon und Duncan. Er beugte sich über die Reling und schrie zurück. »Was ist los?«
»Man hat euren Knaben gefunden.«
Die Worte drangen bis ins Autodeck, woraufhin Sandecker herausgestürmt kam. »Sagen Sie das noch mal!« brüllte er.
»Der Eigner einer Segelketsch hat ’nen Burschen aus dem Wasser gefischt«, antwortete der Skipper der Jacht. »Laut den Meldungen der mexikanischen Marine handelt es sich um den Knaben, den ihr sucht.«
Inzwischen war jeder draußen an Deck. Aber weil sie alle Angst vor der Antwort hatten, traute sich keiner, die entscheidende Frage zu stellen.
Giordino raste mit seinem Rollstuhl die Laderampe hinauf, als säße er in einem Superdragster.
Mit beklommener Stimme brüllte er hinüber zu dem Speedboot: »Ist er am Leben?«
»Die Mexikaner sagen, er war in ziemlich schlimmer Verfassung, hat sich aber wieder gefangen, nachdem die Frau des Bootsbesitzers etwas Suppe in ihn geschüttet hat.«
»Pitt lebt!« stieß Shannon hervor.
Ungläubig schüttelte Duncan den Kopf. »Ich kann’s nicht fassen, daß er es tatsächlich bis in den Golf geschafft hat.«
»Ich schon«, murmelte Loren, die das Gesicht in den Händen vergraben hatte und ihren Tränen freien Lauf ließ. Alle Würde und Fassung, die sie bislang gewahrt hatte, fielen von ihr ab. Sie bückte sich, schmiegte sich mit nassen Wangen an Giordino und spürte, wie sie unter ihrer frischen Bräune knallrot anlief. »Ich wußte doch, daß er unsterblich ist.«
Plötzlich waren die mexikanischen Kriminalpolizisten vergessen, und alle schrien durcheinander und umarmten sich.
Sandecker, normalerweise eher schweigsam und reserviert, stieß ein gellendes Triumphgeheul aus, stürmte zum Ruderhaus, schnappte sich das Iridiumtelefon, rief aufgeregt beim Oberkommando der mexikanischen Flotte an und verlangte weitere Auskunft.
Duncan versenkte sich fieberhaft in seine hydrographischen Aufzeichnungen über das Wasserreservoir unter der Wüste. Er konnte es kaum erwarten, das Datenmaterial in die Hand zu bekommen, das Pitt auf seiner unglaublichen Fahrt über den unterirdischen Fluß gesammelt haben mußte.
Shannon und Miles köpften zur Feier des Tages eine Flasche billigen Sekt, die sie hinten im Kühlschrank der Kombüse gefunden hatten, und teilten Gläser aus. Miles freute sich sichtlich über die Nachricht, doch Shannons Blick wirkte ungewöhnlich nachdenklich. Sie starrte Loren unverblümt an, und ein merkwürdiges Neidgefühl, wie sie es noch nie erlebt hatte, regte sich in ihr. Langsam wurde ihr bewußt, daß es ein Fehler gewesen sein könnte, nicht mehr Mitgefühl für Pitt an den Tag zu legen.
»Dieser verdammte Kerl ist wie Falschgeld, das immer wieder auftaucht«, sagte Giordino, der seine Gefühle nur mühsam im Zaum halten konnte.
Loren schaute ihn mit festem Blick an. »Hat Dirk dir gesagt, daß er mich gebeten hat, ihn zu heiraten?«
»Nein, aber das überrascht mich nicht. Er denkt oft an dich.«
»Aber du hältst nicht viel davon, oder?«
Langsam
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