Inmitten der Unendlichkeit
schälten sich schweigend aus ihren Raumanzügen und übergaben sie zur Wiederaufladung. Korie war als erster wieder angezogen. Ohne ein weiteres Wort marschierte er nach vorn. Ein paar Augenblicke später folgte ihm Brik mit einem mürrischen, tiefen Brummen.
Die Frachtmannschaft tauschte besorgte Blicke, aber diesmal spekulierte niemand mehr über das, was zwischen den beiden Männern vorgegangen sein mochte.
Die Besatzung
Gatineau war ziemlich sauer, als er schließlich im hinteren Frachtraum eintraf.
Er hatte endlich herausgefunden, was es mit dem Möbiusschlüssel auf sich hatte. Mit dem linkshändigen Möbiusschlüssel. Es gefiel ihm überhaupt nicht. Tatsächlich fühlte er sich ausgesprochen miserabel. So dicht vor der Verzweiflung hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gestanden. Wahrscheinlich hatte es nur einen einzigen Augenblick gegeben, an dem er sich noch schlimmer gefühlt hatte: Damals, als Sally Ann Jessup ihn gefragt hatte, ob sie nicht einfach nur Freunde sein könnten. Nein. Das hier war schlimmer. Das hier war sein Raumschiff. Das hier war der Ort, wo er lebte und arbeitete und seinen Dienst verrichtete. Das hier war seine Karriere.
Er haßte dieses Gefühl. Er hatte keine Ahnung, wie er es nennen sollte, aber er haßte es. Er fühlte sich verletzt und allein gelassen und wütend und frustriert und verlegen, alles auf einmal. Das war nicht fair. Er hatte das Recht, mit Respekt behandelt zu werden. Mit großen unschuldigen Augen auf der Suche nach einem imaginären Werkzeug durch das ganze Schiff geschickt zu werden, ließ in ihm nicht gerade das Gefühl entstehen, nützlicher Bestandteil seiner Besatzung zu sein. Er fühlte sich nicht ernst genommen. Und was noch schlimmer war – er fühlte sich wie ein Trottel. Und was am allerschlimmsten war – jeder, wirklich jeder an Bord der Sternenwolf wußte Bescheid. Wie sollte er diesen Leuten je wieder in die Augen blicken?
Er konnte nicht. Er starrte zu Boden. Es gab zwei Arten von Schuhwerk an Bord des Schiffs – harte Schutzstiefel für schwere Arbeiten und weiche Mokassins für den normalen Dienst. Er trug die schweren Stiefel. Er fühlte sich darin wie ein Trampel. Er fühlte sich auch ohne die Stiefel wie ein Trampel. Er fühlte sich wie ein kleiner Junge, der am ersten Schultag in die Hose gemacht hat. Nein, er fühlte sich schlimmer. Er erinnerte sich, daß er an seinem ersten Schultag in die Hose gemacht hatte. Es war kein derartig niederschmetterndes Gefühl gewesen wie heute.
Korie betrat den Frachthangar. Er sah ungewöhnlich steif aus für einen Mann, der seit einer Woche nicht mehr richtig geschlafen hatte. Der größte Teil der Besatzung war bereits anwesend, und ein paar Nachzügler trafen unmittelbar hinter dem Ersten Offizier ein. Neugierige Blicke richteten sich auf ihn.
Diesmal marschierte Korie in die Mitte des Hangars und stellte sich zu seinen Leuten wie ein normales Besatzungsmitglied. Ein Kreis aus Neugierigen bildete sich rings um ihn. Gatineau postierte sich direkt hinter Korie, damit er ihm nicht in die Augen sehen mußte. Er wollte nicht, daß Korie seine Verlegenheit bemerkte.
Er blickte zu Boden und musterte seine Stiefel. Seine großen, tolpatschigen Stiefel.
»Ich will es kurz machen«, begann Korie.
Seine Stimme klang gepreßt. Das hier war sicher keine gute Nachricht, die er verkünden würde. »Wir werden nicht rechtzeitig fertig. Es tut mir leid.«
Vereinzelt erklangen bestürzte Rufe und Stöhnen.
Korie hob die Hand und wartete, bis wieder Ruhe herrschte. »Meine Herren! Ich bitte um Ruhe. Unsere Fibrillatoren wurden von der Houston beschlagnahmt. Der Leitende Ingenieur hat sie heute morgen rübergeschickt. Und Kapitän La Paz hat uns ihren Dank ausrichten lassen.
Ich will Ihnen nichts vormachen. Die Dekontamination gestaltet sich umfangreicher, als wir zunächst angenommen haben. Der Morthan-Assassine hat irgendwie ein Infektionsreservoir an Bord geschafft. Fallen wie die am Andockschlauch, die verschiedensten Arten von Nanokrebs, Blasen in den Kommunikationsleitungen, ich muß nicht erst alles aufzählen. Sie wissen es selbst.«
Korie zögerte und formulierte seine nächsten Worte sorgfältig. »Sehen Sie – ich weiß, wie enttäuscht Sie alle darüber sind. Mir geht es nicht anders. Und außerdem sind wir alle erschöpft. Aber wir haben eine Verantwortung gegenüber der Flotte. Eine Verantwortung gegenüber der Allianz. Jedes einzelne Schiff, das wir wieder raumtüchtig machen,
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