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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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Erinnerung war wieder da: Die Cordjacke, die er immer getragen hatte. Ich hinter ihm, hinten auf seiner Vespa, die Hände an seinen Hüften, so, wie er es mir gezeigt hatte. Dicht vor mir diese Cordjacke, die mittelbraune, direkt vor meiner Nase. Der leichte Muff darin hatte etwas Körperliches, Animalisches. Nicht unangenehm. Überhaupt nicht unangenehm, sondern eigentümlich spezifisch. Ganz wunderbar spezifisch. Wie gern hätte ich damals mein Gesicht an den Rücken vor mir geschmiegt, an diese Cordjacke, mich versenkt in diesen eigentümlich spezifisch angenehmen Muff. Aber ich hatte mich nicht getraut.
    Klar, dass er sich auch jetzt wieder an Barbara anwanzte. War schon immer so gewesen. Barbara. Schöne, flippige Barbara. Die Luft, die ich die ganze Zeit angehalten hatte, entwich jetzt unangenehm laut mit einer Art Zischen wie bei einem Ballon. Abrupt wandte ich mich ab.
    Scheiße, Blauvogel. Stehst hier herum und wühlst in Erinnerungen. Kein Wunder. Ist ja auch Kurtis Beerdigung. Und Kurti, der gehört nun mal zu früher. Da erinnert man sich eben.
    Vorne begann ein Geistlicher in einem bodenlangen Talar zu sprechen. Priester oder Pfaffe? In was für einer Kirche war ich hier eigentlich? Pfaffe vermutlich, denn das Gewand war schwarz. Die Katholen, die waren doch farbenfroher, oder? Oder nicht bei Beerdigungen? Weiß der Teufel. Ich kannte mich da nicht aus.
    … von uns gegangen … gutherzig … Mann voller Tatkraft … seinen Prinzipien treu geblieben …
    Kurti? Prinzipien? Der hatte doch früher immer nur gejammert, dass keiner ihn so richtig mochte. So richtig richtig. Dabei hatten wir ihn alle gern gehabt, ihn, unseren Klassenclown.
    Die Orgel setzte ein. Ein Choral, tragisch und majestätisch zugleich. Noch ein Gebet, dann die Segnung, ein Kreuz über dem Sarg geschlagen. Und wieder die Orgel. Finale? Ja. Denn um mich herum geriet die Trauergemeinde langsam in Bewegung. Aufbruch zum letzten Geleit. Auch ich erhob mich.
    Eine schmalbrüstige Frau in dunklem Kostüm folgte als Erste dem Sarg durch die Mittelreihe. Sehr blond. Sehr zart. Ziemlich jung. Sie blickte sich hilfesuchend um, taumelte leicht, als würde sie gleich zusammenbrechen. Und neben ihr plötzlich schon wieder er. Verwirrt sah ich weg, den imaginären Duft von Cordjackenmuff in der Nase.
    Ich mochte Beerdigungen nicht. Sie führten mir meine eigene Vergänglichkeit vor Augen. Und trotzdem war ich da. Sah in filmischen Schnitten, wie in Schwarz-Weiß. Ein langer Weg zwischen Bäumen, Gräber zur Rechten wie zur Linken. Vor mir eine Reihe dunkel gekleideter Menschen. Männer. Frauen. Ganz vorne der Sarg, getragen von Männern in schwarzem Frack. Leichenbestatter. Seltsamer Beruf.
    Sie trugen mit Würde. Ließen den Sarg herab mit weiß behandschuhten Händen. Jemand schluchzte laut auf und unterdrückte es augenblicklich wieder. Ich versuchte, die Schluchzende ausfindig zu machen, und entdeckte sie schließlich etwas abseits, die Augen versteckt hinter einer großen Sonnenbrille, das Gesicht halb verborgen im Schatten eines dunklen Herrenhutes aus Filz, unter dem rötliches Haar hervorquoll. Ihre Tränen gruben Furchen in die etwas zu dick aufgetragene Schicht Puder. Also doch jemand, der ihn geliebt hatte, so richtig richtig. Mensch Kurti, na also!
    Die Grube wurde nun gefüllt mit Erde. Dunkler, feuchter Erde. Mich schauderte, als ich das dumpfe Plopp hörte, mit dem der schwere Mutterboden nass auf dem Sarg aufschlug.
    Nicht mal Blumen hatte ich. Was für Blumen hätten das auch sein können für Kurti, den Klassenclown? Eine bunte, lustige, die hätte wohl gepasst. Ein Papageienschnabel vielleicht. Daran jedoch hatte ich nicht gedacht. Also stand ich nur kurz an der Grube. Mochte dem dumpfen Plopp nicht noch ein weiteres hinzufügen. Ihn mit klumpiger, lehmiger Erde bewerfen. Nein. Erde auf Kurti werfen mochte ich nicht, Beerdigung hin, Beerdigung her.
    Nun bring halt mit Anstand zu Ende, was du begonnen hast, Blauvogel! Ich seufzte und gab mir einen Ruck. Reihte mich ein in die Schlange der Kondolierenden, die an der kleinen Gruppe ernster, schwarz gewandeter Gestalten vorbeischritt. Die Schluchzende befand sich nicht darunter. Ich schüttelte Hände. Auch die der Blonden, Zarten, Jungen. Murmelte »Bin mit ihm zur Schule gegangen, war ein echt netter Kerl, der Kurti, hatte immer einen Scherz auf den Lippen«, und kam mir bescheuert vor, während ich das aussprach.
    Ich hob den Kopf und begegnete seinem blaugrauen Blick, düster

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