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Innswich Horror (German Edition)

Innswich Horror (German Edition)

Titel: Innswich Horror (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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aufgeschichteter halbmenschlicher Leichen, als ein Licht – nein, mehrere – erkennbar wurden. Aber auch Stimmen waren dieses Mal zu vernehmen, wenigstens zwei; und das an der entferntesten Ecke der Kammer hereinscheinende Licht ermöglichte mir, einen weiteren rückwärtigen Ausgang zu erspähen. Inzwischen musste ich davon ausgehen, dass das Tunnelnetzwerk wahrhaft gigantisch war. Zwei Gestalten tauchten auf, eine größere und eine kleine, von denen jede eine Kerzenfischfackel in der Hand hielt. Die flackernden, qualmenden Flammen warfen überall schroffe Schatten, die einem grauenvollen, kaleidoskopischen Albtraum entsprungen schienen.
    »Müssen uns beeilen, Sohn, wie wir’s immer tun«, sagte eine raue, erwachsene Stimme mit erkennbarem Akzent. »Man weiß nie, wann einer ihrer Wächter hier herumschnüffelt.«
    »Ich weiß, Dad«, erwiderte die Stimme eindeutig eines Jungen.
    »Schneid die Bizepse und Waden raus, wie ich’s dir gezeigt hab, und ich hacke die Rippen und Bäuche raus. Lass uns versuchen, eine ganze Menge in kurzer Zeit zusammenzukriegen, ja, Sohn?«
    »Klar, Dad.«
    Das qualmende Licht entlarvte mühelos die neuen Eindringlinge: Onderdonk und sein junger Sohn. Sie mussten einen eigenen Tunnel entdeckt haben, der ihnen Zutritt verschaffte, ohne dass sie von der Stadt aus gesehen wurden, in der sie offensichtlich nicht willkommen waren. Mit beachtlichem Geschick holte der Junge mehrere Leichen vom Haufen und schnitt innerhalb von Sekunden das Fleisch von Armen und Beinen ab. Derweil hackte der Vater mit einem Beil in jeder Hand systematisch die Rippen weiterer Leichname klein und trennte sorgsam die Bauchdecke ab. Nachdem sie jeder etwa ein halbes Dutzend der toten, halb menschlichen, halb amphibischen Monstren bearbeitet hatten, wechselten sie. Minuten später hatten sie ihre Schlachtwaren in Leinensäcken verpackt.
    »Gute Arbeit, Sohn«, lobte Onderdonk den Jungen. »Wette, wir haben hier genug Fleisch für mehr als eine Woche zum Räuchern.«
    »Hoffentlich verdienen wir viel Geld damit, Dad.«
    »Das ist mein Junge.« Der Erwachsene lächelte stolz und tätschelte seinem Sohn den Kopf. »Das ist Gottes Art, auf gottesfürchtige Menschen wie uns aufzupassen, indem er dafür sorgt, dass diese Halbblüter gleichermaßen nach Fisch und Schwein schmecken. Welche Wahl haben wir auch schon, wo uns diese Teufelsanbeter aus Olmstead nicht in ihrem Meer fischen lassen?«
    »Ja, Dad. Ich bin froh, dass Gott derart auf uns aufpasst.«
    »Wir haben ziemliches Glück, Sohn, und das dürfen wir niemals vergessen. Für viele andere sind die Zeiten härter.«
    »Aber, Dad?« Der Junge sah seinen Vater einen Moment zweifelnd an. »Wie kommt es, dass sie nicht verrotten und stinken, du weißt schon, so wie an dem anderen Ort?«
    »Es ist, weil die Leichen an dem anderen Ort alles reinblütige Menschen wie wir sind, aber diese hier?« Onderdonk tätschelte den glatten grünlichen Bauch einer Frau, deren Gesicht und Brust eher krötenartig aussahen, inklusive der Warzen. »Alle von denen hier sind wenigstens halb voll mit Fischblut wie dieses Weibsstück hier«, bei diesen Worten wiegte er herzlos eine warzenschimmernde Brust. »Diese hier gehört vermutlich zur vierten Generation, so wie viele andere – die sind bereits verwandelt. Aber selbst die erste Generation reicht, um zu verhindern, dass sie richtig verrotten, Junge, und Käfer und Ungeziefer wollen nicht an die ran. Das liegt am Fischblut, weißt du? Darum verrotten sie nicht und darum können sie auch nicht sterben, es sei denn, man bringt sie um, absichtlich oder durch einen Unfall.«
    »Oh«, erwiderte der Junge, »das ist irgendwie klasse.«
    »Hmmm. Jetzt hilf mir, diese Überbleibsel zurückzuwerfen.«
    Entgeistert sah ich von meinem Versteck aus mit an, wie die beiden die Schlachtreste hochhievten und über den Grat der Haufen hinwegwarfen, offensichtlich um zu verhindern, dass die »Wächter« herausfanden, was sich hier abgespielt hatte.
    »So«, hallte Onderdonks Flüstern durch die Höhle, »lass uns abhauen.«
    In dem flackernden Licht beobachtete, wie sie davonzogen, die Säcke mit dem stibitzen Fleisch über die Schulter geworfen.
    Doch das Übelkeitsgefühl in meinem Magen hatte mich längst gepackt: Die Beute aus dieser außergewöhnlichen Leichenkammer war offensichtlich das, was Onderdonk ahnungslosen Kunden als »mit Fisch gefüttertes Schwein« verkaufte. Eine kleine Portion davon befand sich derzeit in meinem Verdauungstrakt.

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