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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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Garten, die Hügel, das ferne Meer und den hohen Himmel, der alles vereinigte. Ihr schienen die Worte zu fehlen.
    »Siehst du, liebe Freundin, genau das meinte ich. Wenigstens bist du ehrlich.
    Gib euch doch eine Chance! Selbst die Deutschen ...«, sie stockte und verbesserte sich dann, »... wir Deutschen scheinen es zu schaffen, Grenzen zu überwinden. Die Mauer ist gefallen, ohne Blutvergießen.« Sie erzählte ihnen die Episode der Frau, die nur einmal
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    in ihrem Leben durch das Brandenburger Tor gehen wollte. »Sie hat es geschafft, nur kraft ihrer Sehnsucht und des Willens. Vielleicht wollen die meisten Schwarzen hier auch nur einmal durch ihr Brandenburger Tor gehen.«
    »Oh, meine Güte, nimm deinen deutschen Zeigefinger herunter!« Tita sprang auf.
    »Also, Kinder, Schluss mit der Politik! Heute Abend gibt es eine Riesenparty, wie sich das gehört. Wir haben sogar eine Band engagiert. Es wird die größte Weihnachtsfete in Natal sein!« Sie krauste ihre Nase in einem bezaubernden Lachen, das Henrietta so gut von früher kannte, und die Kluft zwischen ihnen schloss sich wieder.
    Sie seufzte glücklich. Sie liebte Weihnachten in Afrika. Afrikanisches Weihnachten ist heiß, strahlend, die Natur prunkt und prahlt mit Farben, es ist laut, bunt und ausgelassen und ganz und gar nicht besinnlich. Es ist das pure, brodelnde Leben.
    Tita und sie schmückten das Haus und besonders die große Terrasse mit bunten Lichtschlangen und füllten die Vasen mit Bougainvilleas in Tönen von Aprikot über Rosa bis zu tief glühendem Rot. lan und Neil verzogen sich mit der Sonntagszeitung an den Swimmingpool.
    Gegen drei erschien der Mann vom Partyservice. Schwarzes Hemd, Goldkette auf der Brust, blonde Haare zu einem dünnen Schwanz im Nacken zusammengezwirbelt.
    Er schob sie resolut aus dem Weg. »Mrs. Robertson, überlassen Sie getrost alles uns.« Auf eine Handbewegung von ihm hin schwärmten ein Dutzend dienstbarer Geister aus und stellten lange Tische auf, deckten sie mit zartrosa Tischdecken und weißem Porzellan, zimmerten eine kleine Bühne für die Jazzband und schleppten drei ganze, lecker in Knoblauch und Krautern marinierte Lämmer heran. Der Länge nach spießten sie die Lämmer auf und hakten sie in drei große Drehgrillautomaten, unter denen bereits Holzkohlenberge glühten.
    »Wir sind hier überflüssig«, lachte Tita. »Komm, wir gehen schwimmen.«
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    Samantha und Giorgio, ihr Mann, waren die ersten Gäste. Sammy trug einen Neun-Monats-Bauch vor sich her und sah hinreißend aus. Die kupfernen Locken standen als kostbarer Rahmen um ihr feingezeichnetes Gesicht, die honigfarbene Haut mit Sommersprossen überpudert wie mit Goldstaub. Sie küsste Henrietta herzhaft. »Ich glaube, ich sollte so lange tanzen, bis dieser faule Wurm zum Erscheinen bewegt wird!« Glücklich lachte sie ihren Mann an, der genauso aussah, wie man sich einen glutäugigen Italiener vorstellte. »Das Geburtsdatum ist zwar erst in zwei Wochen, aber ich habe die Nase gründlich voll!«
    Neu unterbrach sie. »Henrietta, ich möchte dir einen Landsmann von dir vorstellen.« Einer seiner engsten Freunde, Journalist wie er, hatte einen älteren Geschäftsmann aus Stuttgart namens Dr. Braunle im Schlepptau.
    Manchmal sehen Menschen aus wie ihre eigene Karikatur. Hätte Henrietta einen Genießer im Schlaraffenland zeichnen sollen, er hätte so ausgesehen wie Dr.
    Braunle. Relativ groß, weißer Tropenanzug, eine breite, goldene Uhrenkette über einem immensen Bauch, das Gesicht rosig und feist unter weißen, gewellten Haaren, dicke, volle Lippen, vom linken Mundwinkel bis zum Ohr ein tiefer Schmiss. Das Einzige, was nicht passte, waren seine Augen. Eingebettet in Fettröllchen, waren sie blau und kalt wie Gletschereis. Sie schätzte ihn auf etwa fünfundsiebzig Jahre.
    Breit lächelnd ergriff er ihre beiden Hände und drückte einen feuchten KUSS
    darauf. »Gnä' Frau, bin entzückt!«
    Sie sah hinunter auf die kahle Stelle zwischen seinen schütteren Haarwellen.
    In ihr regte sich wieder dieses wohl bekannte Gefühl, dieses unterschwellige Unbehagen, das sie zeit ihres Lebens gewarnt hatte, bevor sie eine Gefahr tatsächlich erkannt hatte. Aber sie dachte an die Horstmanns und rief sich zur Ordnung. Nur weil jemand feuchte Lippen hatte und eisblaue Augen, war er kein Bösewicht. Sie lächelte Dr. Braunle an und war besonders freundlich zu ihm. Er stellte Vitaminsäfte her und sandte regelmäßig ein paar Tonnen als Spende nach

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