Ins dunkle Herz Afrikas
erzählen, es sei nichts gewesen. Ihr seid nicht durch die normale Passkontrolle gegangen.« Sein Ton machte klar, dass er ihnen nicht erlauben würde auszuweichen.
Sie berührten sich mit einem Blick. lan antwortete. »Sie hatten uns noch im Computer - nach elf Jahren hatten sie unsere Namen tatsächlich noch im Computer gespeichert. Warum, weiß ich nicht. Wir können uns einfach keinen Reim darauf machen. Es ist so lange her, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es für die Regierung noch wichtig ist.«
»Wir ...«, ihre Stimme brach fast, »wir müssen Abschied nehmen, wir werden nicht wiederkommen dürfen.« Ihre Stimme tröpfelte in die Stille.
Neu, die Füße auf die Balustrade gestützt, kippelte auf seinem Stuhl.
Unterhalb seiner Shorts glänzte auf seinem linken Oberschenkel eine tiefe weiße Narbe. Eine Polizeikugel hatte ihm Dezember 1965 nach einer wilden Jagd nachts durch Kwa Mashu eine der großen Adern verletzt. Er setzte den Stuhl auf den Boden. Das harte Ge-räusch unterstrich seine Worte. »Ich werd mich drum kümmern. Vielleicht wissen meine Informanten etwas.«
Hatte Henrietta als Kind schlimmen Kummer und war damit zu Papa gerannt, hätte sie sich gewünscht, dass er so etwas in diesem Ton zu ihr gesagt hätte. Sie stand auf und gab Neu einen KUSS und merkte erst jetzt, dass sie zum Umfallen müde war. Sie schwankte. Tita sprang auf. »Ihr geht jetzt auf dem schnellsten Weg ins Bett -kommt!« Sie ging voraus, begleitete sie über die Wendeltreppe in das kleines Turmzimmer. Es war sechseckig, der Teppich in warmem Gelb, und außer der Wand hinter dem großen Bett waren alle anderen Wände aus Glas.
Vorhänge aus feiner weißer Musselinbaumwolle filterten das rosa Licht der Morgenröte. »Es ist euer Zimmer, solange und sooft ihr bei uns wohnen wollt.
Ich werde euch zur Mittagszeit wecken«, sagte sie im Hinausgehen.
Sie legte sich ins Bett. »Himmel, ist das herrlich!«, murmelte sie und schlief ein.
Nach ein paar Stunden wachte sie auf. Ein prickelnd heißer Sonnenstrahl hatte sie geweckt. Jemand hatte die Vorhänge geöffnet. Der Wind ließ sie ins Zimmer flattern, blendendes Licht floss herein. Verwirrt setzte sie sich auf und nahm eben noch wahr, dass jemand lautlos die Zimmertür zuzog. Sie erkannte Jeremy, den Butler der Robertsons. Ihre Augen trafen sich für einen Moment, dann huschte sein Blick von ihr zum Fenster, dann wieder zu ihr zurück. »Als ob er etwas überprüfen wollte«, meinte sie, sich an den noch schläfrigen lan kuschelnd. »Was wollte der Kerl in unserem Zimmer? Er ist kein Zulu, kein Schwarzer, seine Haut ist zu hell, wie Terrakotta. Hast du seine Augen gesehen? Er hat etwas Asiatisches, Unergründliches, findest du nicht? Ein bisschen unheimlich.« »Hmm«, kam es von ihm, und dann wurde sein Atem wieder regelmäßig.
Kaffeeduft kitzelte ihre Nase. Eine dampfende Tasse Kaffee stand auf ihrem Nachttisch. Erleichtert rüttelte sie lan wach. »Jeremy hat Morgenkaffee gebracht, ich hatte vergessen, dass es hier immer noch Sitte ist. Wach auf, Tita wartet!«
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Gegen Mittag servierten Jeremy und Regina, eine dralle, junge Frau mit dem hübschen runden Gesicht einer Zulu, auf der mit rosa Bou-gainvilleas umrankten Terrasse einen üppigen Brunch mit Papayas, Mangos, gegrillten Lammkoteletts und Steaks, Salaten und Unmengen frisch gebackener Brötchen und Waffeln. Der Esstisch stand am Ende der riesigen Terrasse genau dort, wo ihr Blick ungehindert über die Ausläufer der sattgrünen Hügel Zululands zu dem glitzernden Band des Indischen Ozeans, das in der blauen Ferne den Horizont begrenzte, gleiten konnte. Die Sonne stand hoch hinter dem zarten Dunstschleier der aufsteigenden Mittagshitze. Gedrungende Dattelpalmen und ausladende Bäume warfen flirrende Schatten, blütenübersäte Brunfelsiabüsche verströmten ihren intensiven Jasminduft. Zu ihren Füßen wucherte die fleischige, hellgrüne Pflanze, die so gut gegen Insektenstiche half. Henrietta brach eine der Ranken ab. »Diese Pflanze heißt Itch-me-not, Juck-mich-nicht«, hatte ihr Jackson kurz nach ihrer Ankunft auf der Farm ihres Onkels Hans erklärt, und der Nachhall seines tiefen, ansteckenden Lachens trug sie für flüchtige Momente zurück in diese erste Zeit, die voller Unschuld war, in der Afrika noch vor ihr lag, sie nur Wärme spürte und meinte, endlich zu Hause zu sein. Ihr Herz verkrampfte sich. Nie wieder würde es so sein. Nie wieder, zwei Wörter, die immer häufiger auftauchten, je
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