Ins dunkle Herz Afrikas
paar nette kleine Fabriken für dies und das. Ich bin hier, weil wir 252
unsere Familienfarm in Zululand verkaufen wollen - die Wildfarm ist längst nicht mehr in unserem Besitz -, solange es noch geht. Duncan hat keine Zeit, und Mummy hat seit neuestem Rheuma. So regle ich das allein. Wir haben einen Dummen gefunden, das Angebot ist lausig , aber wir haben es angenommen, und in ein paar Tagen fliegen wir
wieder ab.« Sie hielt ihrem Mann auffordernd ihr leeres Glas hin. »Auf Nimmerwiedersehen. Der Verwalter auf der Farm ist schon zum dritten Mal überfallen worden. Seine Frau war allein mit ihrem Baby, als sie kamen. Die Kleine auf dem Arm, flüchtete sie ins Haus und verrammelte die Tür. Die Kerle durchsiebten die Haustür mit Maschinenpistolen, hackten das Holz mit Pangas raus - du weißt doch, das sind die Zuluhackmesser, fürchterliche Waffen. Die Frau verbarrikadierte sich im Wohnzimmer, die Männer immer hinterher. Auch diese Tür machten sie zu Kleinholz. Sie flüchtete durch eine Nebentür nach oben in den Schlaftrakt. So ging es weiter, bis sie in ihrem Schlafzimmer landete, aus dem es keinen Ausgang gibt, aber ihr Gewehrschrank befand sich dort. Sie nahm die Elefantenbüchse ihres Mannes, und als die Einbrecher auch diese Tür erreichten, ballerte sie erst die Elefantenbüchse leer, durch die geschlossene Tür hindurch, und dann die zwei Magnums, die daneben standen.
Danach war Ruhe. Man fand die Einbrecher am nächsten Morgen verblutet vor ihrer Tür liegen. Hackfleisch, sag ich dir. Jetzt will die Frau nach England auswandern, sie hat die Faxen dicke. Und was macht ihr hier?« Glitzy hatte die ganze Geschichte im Plauderton erzählt, als berichtete sie von einer alltäglichen Begebenheit.
Das versetzte Henrietta einen Schock. Südafrikanischer Alltag! Der Redestrom ihrer Freundin rauschte mit dem Getöse eines Wildbachs an ihren Ohren vorbei.
Plötzlich war sie diese andere Frau, floh von Zimmer zu Zimmer, durch das wunderschöne Haus der Daniels, das für sie damals vor mehr als neunundzwanzig Jahren zum zweiten Zuhause geworden war. Sie hörte das Holz der Türen splittern, wurde von der übermächtigen Angst erfasst, wie diese Frau sie durchgemacht haben musste, und erneut überkam sie dieses Verlangen nach dem sicheren, unbedrohten Alltag Deutschlands.
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»Henrietta, hörst du mir überhaupt zu?«, verlangte Glitzy zu wissen. »Was?«, fragte sie abwesend.
»Ich erzählte gerade von Freunden, die überfallen worden sind. Von einer schwarzen Gang, natürlich. Die haben sogar die siebenund-achtzigjährige Großmutter vergewaltigt, stell dir das mal vor! Diese Pottsäue! Jetzt warten alle auf das Ergebnis vom Aidstest. Ich könnt dir noch stundenlang solche Horrorgeschichten erzählen, das nur als Antwort auf die Frage, ob wir noch in Südafrika leben.« »Halt doch die Klappe, altes Mädchen.« Joe sprach zum ersten Mal. »Siehst du nicht, dass du sie zu Tode erschreckst?« »Oh, meine Freundin Henrietta war mal ganz schön abgebrüht«, war Glitzys sarkastische Antwort,
»wenn ich daran denke, wie du uns alle verscheißerst hast, als du 1968 aus Südafrika abgehauen bist«, fuhr sie an Henrietta gewandt fort, »alle Achtung!«
»Es tut mir Leid, ich konnte nicht anders. Ich hab's euch doch später in einem Brief erklärt.« Sie klang bittend.
»Ein bisschen wenig, findest du nicht? Hast du schon mal was von Vertrauen unter Freunden gehört?«
»Du meinst, so ein Vertrauen, wie ihr es verstanden habt, als ihr sie mit dem Donga-Haus hereinlegtet?« lans Stimme war seidig weich.
»Autsch«, grinste Glitzy unbekümmert, »das saß! Okay, wir sind also quitt!«
Die Zeit verflog mit Weißt-du-noch-und-als-wir-damals, bis Tita und Neu sich zu ihnen setzten. Sie tauschten Adressen aus, umarmten einander, versprachen, regelmäßig zu schreiben, ganz bestimmt, auf jeden Fall! Küsschen rechts, Küsschen links, und Glitzy wirbelte davon. »Das hat gut getan«, seufzte Henrietta.
Umhlanga war überwuchert von unzähligen neuen Apartment- und Reihenhauskomplexen, wie Seepocken wuchsen sie auf dem felsigen 254
Untergrund der Hänge. Gelegentlich erhaschte sie einen Blick durch stählerne, zackenbewehrte Eingangstore auf luxuriöse Häuser, große Schwimmbäder in traumhaft schönen tropischen Gärten. Auf den Kronen der meterhohen Mauern, in die die Tore eingelassen waren, saßen mehrere im flachen Winkel nach innen geneigte Reihen von Stacheldraht, und davor, fast unsichtbar, zog sich ein
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