Ins dunkle Herz Afrikas
Wandschmuck. Auf einer Platte waren sehr eigenartige Gegenstände aus grauem und ziegelrotem Plastik montiert. »Sieh hin und überlebe!« stand darüber. Ein flaches, rundes Objekt trug die Beschriftung:
»Limpet Mine«, das graue Ei daneben erkannte sie als Handgranate. »Neil«, rief sie, »bitte, was soll das?«
»Hier siehst du die verschiedenen Formen von Haftminen, Handgranaten und Ähnlichem. Anhand dieser Attrappen kannst du dir die Formen einprägen, so dass du erkennen kannst, ob so ein Ding zum Beispiel unter deinem Restauranttisch oder hier hinter der Tür klebt.« Seine Stimme war ausdruckslos, seine Augen nicht. Seine Worte trafen sie wie ein Hammerschlag. »Das kann nicht dein Ernst sein!« Sie griff Halt suchend nach lans Hand. Es fängt alles ganz harmlos an, sagte Janet Hamilton, ihre einstige Nachbarin aus gjiodesien, und man gewöhnt sich an jede Situation, wenn sie sich langsam entwickelt.
pur eine unkontrollierte Sekunde blitzte das Bild des Jungfernstiegs vor ihr auf, des baumbestandenen Boulevards der Hamburger Innenstadt. Sie sah ihn im Sommer im Sonnenschein: leicht gekleidete Menschen, Straßenmusiker vor dem Alsterhaus, die Straßencafes auf dem Anlieger der Binnenalster voll besetzt.
Mit Dutzenden von Segelbooten, mehreren Alsterdampfern und Flotten von weißen Schwänen wirkte sie wie ein geschäftiger Marktplatz. Nirgends ein Polizist, die Türen des Alsterhauses und der umliegenden Geschäfte standen weit offen.
Bevor sie es verhindern konnte, musste sie feststellen, wie wichtig ihr das Gefühl der Sicherheit und Unbefangenheit, das sie bei diesen Bildern spontan verspürte, geworden war. Sie schüttelte sich, wie um diese Erkenntnis loszuwerden. Afrika liebe ich, beschwor sie sich selbst, hier ist mein Zuhause. Um sich abzulenken, zog sie Tita in die Lebensmittelabteilung von Buxton's. »Ich kann Guaven riechen. Seit elf Jahren träume ich von Guaven.«
Links vom Eingang befanden sich die Obststände. Duftende Ananas aus Zululand, kürbisgroße Papayas, glänzend grüne Avokados und ein kleiner Stapel gelbschaliger Guaven. Daneben jedoch, als prangender Mittelpunkt der Obstabteilung, erhob sich eine mannshohe, kunstvolle Pyramide aus prallen, grünen Wassermelonen. Sie erstarrte. Wamm, wusch, platsch! Die Melonen explodierten vor ihren Augen, das rote Fleisch klatschte ihr ins Gesicht, sie meinte, Blut zu riechen.
»Ich muss raus hier, ich krieg keine Luft!«, stammelte sie, stieß mehrere Einkaufswagen zur Seite und rannte, rannte durch die Menge, durch das Einkaufszentrum, aus der trockenen Eiseskälte hinaus auf die Straße. Die feuchtigkeitsgeschwängerte Luft klatschte ihr wie ein nasser Waschlappen ins Gesicht. Sie rannte weiter. Es war heiß, es duftete süß nach Frangipani, dem asiatischen Tempelbaum, dessen Blüten Südseeschönheiten zu Kränzen geflochten ihren Gästen zur Begrüßung umhängen, Seetanggeruch mischte sich mit Auto-abgasen. Das Meer lockte schimmernd durch die Lücke zwischen 246
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dem Beverly Hills Hotel und dem straußenfederähnlichen Zweigwerk der Kasuarbäume des Oyster Box. Sie rannte. »Warte auf mich«, rief lan, der ihr dicht auf dem Fuße folgte, aber sie rannte und rannte und rannte. Die abschüssige Straße hinunter, über den Platz mit den Indischen Mandelbäumen, den steilen, spärlich bewachsenen Weg zwischen den Hotels hinunter zum Strand, blieb erst stehen, als sie völlig außer Atem im glühend heißen Sand versank.
Der Strand war überfüllt. Vom Cabana Beach bis zum Leuchtturm wimmelte es von farbenfreudig gekleideten Menschen, Indern, Schwarzen und - sie musste danach suchen - auch ein paar Weißen. Überrascht sah sie sich um.
Noch nie hatte sie so viele Menschen in Umhlanga Rocks am Strand gesehen, noch nie war der Strand so bunt gewesen. Vor dem Leuchtturm saß eine indische Großfamilie auf Campingstühlen um ein Feuer, das sie aus Treibholz aufgeschichtet hatten. Ein Schmorgericht köchelte in dem dreibeinigen Eisentopf. Sie schnupperte, lächelte. Curry, Ingwer, Kreuzkümmel und ein Hauch Patschuliöl. Früher roch es hier außer nach Meer und Seetang nur nach Sonnencreme, allenfalls noch nach Pommes frites. Das Glücksflämmchen flackerte munter.
Sie schleuderte ihre Schuhe von sich und lief an den Saum des Meeres, wo sich eine Barriere aus mächtigen, rund gewaschenen Felsen erhob. Auf den größten lief sie zu, wusste, wo es Einbuchtungen gab, in die ihre Füße passten, kletterte hinauf, behände wie eine
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