Ins dunkle Herz Afrikas
Polizei.«
»Das wäre eine sehr gute Idee«, entgegnete Henrietta hitzig, »dann könnten wir gleich feststellen, was Sie mit meiner Cousine gemacht haben, Sie und ihr verbrecherischer Mann!«
Es nutzte ihr nichts. Die beiden Männer bugsierten sie hinaus, packten sie an ihren Ellenbogen und trugen sie am Empfang vorbei zum Parkplatz. Dort riss sie sich los, warf sich in ihren Wagen und fuhr zur nächsten Polizeistation.
Ein kahlköpfiger Beamter mittleren Alters hörte ihr unkonzentriert zu.
»Freiheitsberaubung, Körperverletzung - junge Frau, mit solchen Anschuldigungen sollten Sie vorsichtig sein.« Als sie auf stur schaltete und der Beamte offensichtlich begriff, dass er sie auf diese Weise nicht loswerden würde, griff er zum Telefon und rief den beschuldigten Ralf Popp an. Mit einem genervten Blick auf Henrietta wählte er danach die Nummer der Klinik. »So«, sagte er, als er den Telefonhörer wieder aufgelegt hatte, »es scheint, dass Sie sich strafbar gemacht haben, junge Frau. Sie sollen in die Klinik gestürmt sein, - das wäre Hausfriedensbruch«, er hob einen Finger, »und sie sollen versucht haben, eine Frau, die akut selbstmordgefährdet ist, zu entführen«, der zweite Finger kam hoch, »und das wäre sehr ernst.« Der Zeigefinger stach in ihre Richtung. »Das ist doch Blödsinn!«, unterbrach ihn Henrietta. »Wer sagt denn so etwas?«
»Dr. Schöller, der Eigentümer und Chefarzt der Klinik und der Ehemann dieser Frau. Sie erwägen eine Anzeige.«
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Sie holte tief Luft. »Diese Frau ist meine Cousine, ich kenne sie sehr gut.
Sie ist eine völlig gesunde junge Frau, eine glückliche obendrein, denn sie will sich von ihrem Mann scheiden lassen und einen anderen heiraten, sie will Kinder haben und in Afrika eine Landarztpraxis mit ihrem neuen Mann eröffnen ...«
»Na, sehen Sie, Sie sagen es ja selbst. Die kann ja nicht richtig im Kopf sein. Afrika! Nun gehen Sie nach Hause, junge Frau, und seien Sie froh, dass Sie keine Anzeige wegen versuchter Entführung am Hals haben.« Er schlug ein großes, dickes Buch auf und trug etwas ein. Dann stand er auf und verschwand hinter einer Tür und ließ Henrietta stehen.
Sie versuchte Ron Cox in Natal zu erreichen. Vergeblich. Auch die Nonnen der Mission wussten nicht, wo er sich aufhielt. Sie rief Susis Vater, Markus Cornehlsen, in Florida an, wo er sich als passionierter Golfspieler die meiste Zeit des Jahres aufhielt. Auch vergebens. »Zeig ihn einfach wegen Freiheitsberaubung an, dann muss irgend-etwas passieren«, riet ihr Sohn Jan.
Sie rief Ralf Popp abends an, um ihm die Anzeige anzudrohen. Zu ihrem größten Erstaunen meldete sich Susi. »Susi? Du bist wieder zu Hause? Was ist passiert?«
»Oh, nichts, nichts. Mir geht es wieder gut, der Arzt sagt, ich bin gesund.«
Ihre Stimme klang schleppend.
O ja, wütete Henrietta innerlich, und bis obenhin voll mit irgendwelchen Beruhigungsmitteln. »Ich werde dich morgen besuchen«, sagte sie.
Gegen Abend gelang es ihr, Ron Cox zu erreichen. Kurz berichtete sie ihm, was ihrer Meinung nach passiert war. »Dieses Schwein! Den nehm ich mir vor«, knurrte er, und drei Tage später stand er vor ihrer Tür. Wie er es geschafft hatte, auf den chronisch überbuchten Flügen einen Platz zu ergattern, blieb sein Geheimnis.
»Dieser Drachen von Haushälterin wird vermutlich gegen elf zum Einkaufen gehen, dann können wir mit Susi sprechen.« Sie saßen in Henriettas Auto und beobachteten den Hauseingang. Es hatte ange-410
fangen zu nieseln, und es war empfindlich kalt geworden. Ron, der offensichtlich keinen warmen Mantel besaß, fror in seiner ungefütterten Windjacke erbärmlich. Kurz darauf kam die Frau heraus und fuhr auf dem Fahrrad davon. Die beiden stiegen aus und klingelten. Eine lange Weile passierte nichts, dann rüttelte jemand von innen zaghaft an der Türklinke. »Wer ist da?«, hörten sie Susis kraftlose Stimme.
»Ich bin's, Henrietta, mach auf Susi, ich hab eine Überraschung für dich.«
»Ich kann nicht, ich bin eingeschlossen.« Das kleine Fenster neben der Haustür, das vergittert war, öffnete sich knarrend, und Susis blasses Gesicht erschien. Sie starrte Ron an, als wäre er eine Erscheinung. »Ron? Oh, Ronnie!«
Ihre Verwirrung war deutlich, sie schien nach Worten zu suchen, stand offensichtlich unter dem Einfluss von schweren Beruhigungsmitteln. »Hilf mir«, flüsterte sie endlich, »bitte.«
Ron lief ums Haus herum, kletterte durchs Küchenfenster und öffnete dann Henrietta
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