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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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den Stein poltern hören, der mir eben vom Herzen gefallen ist?«, rief sie. »Meine Güte, bin ich froh!«
    Als sie das Gespräch beendet hatte, sah lan auf die Uhr. »Zwölf Uhr, es ist Sonnabend, unser Sohn dürfte gerade aus dem Bett steigen. Eine gute Zeit, um ihn zu besuchen!«
    Verschlafen und mürrisch öffnete Jan, deutlich ungehalten über die frühe Störung. Er gähnte laut, kratzte sich über die Bartstoppeln. »Muss das sein, es ist mitten in der Nacht! Ich bin erst um drei ins Bett gekommen!«
    »Meine Güte, du Armer, das Leben ist wirklich hart«, sagte sie ernst, aber ihre Augen funkelten amüsiert. »Wir waren gerade in der Gegend und wollten nur sehen, ob es dir gut geht.« »Ihr wollt doch etwas von mir«, argwöhnte er,
    »raus damit, ihr klettert doch nicht freiwillig fünf Stockwerke hinauf.« Er wohnte in Ep-pendorf in einer dieser Wohnungen mit hohen Stuckdecken, knarrenden Holzdielen, antiquierten Wasserhähnen und winzigen, schmiedeeisernen Balkons, die bedrohlich ächzen, betritt man sie mit mehr als zwei Personen.
    »Wir wollten dich zum Essen einladen«, eröffnete sie ihm listig.
    Geflissentlich übersah sie die chaotische Unordnung in der Wohnung. »Zum Essen? Zu dieser Tageszeit? Wie war's mit Frühstück!« Sie klaubte Hemd und Schuhe aus dem Wust heraus und hielt sie ihm hin. »Ein Grund mehr, dich zu beeilen!«
    Sie setzten sich in das französische Bistro gegenüber, und sie warteten weise, bis ihr Sohn den dritten Kaffee schlürfte und seine zweite Brioche dick mit Honig bestrich, ehe sie ihm Titas Fax über den Tisch schoben. Henrietta löffelte den Obstsalat, der hier besonders delikat war, und wappnete sich seelisch für das, was jetzt kommen würde. Jan neigte gelegentlich zu unangenehm präziser Formulierung seiner Ansichten.
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    Mit offensichtlichem Misstrauen, das die Grundvoraussetzung für den Anwaltsberuf zu sein scheint, zog Jan das Fax mit spitzen Fingern zu sich heran und studierte es genauestens, kaute dabei seine Brioche, schluckte und schwieg dann so lange, dass Henrietta unruhig wurde. »Hm«, brummte er endlich,
    »ist zwar nicht ganz korrekt, aber damit kann ich leben.« Er musterte seine Eltern, sein Ausdruck immer noch skeptisch. »Was passiert nun? Hat Daddy Kappenhofer seinen Zauberstab geschwungen?«
    lan schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe gerade einen Vorschuss an seine Anwälte überwiesen, die graben jetzt nach, was dahinter steckt.«
    Mit zusammengezogenen Brauen hörte ihm sein Sohn zu. »Ich mach das«, verkündete er plötzlich und hätte sie nicht mehr überraschen können, »wenn ihr den Flug bezahlt!«, erpresste er sie lachend, »ich werde mich sofort über die Rechtslage schlau machen. Denen werd ich zeigen, dass sie sich mit mir besser nicht anlegen!« Henrietta seufzte irritiert. Eine von Jans hervorstechenden Eigenschaften war ein unerschütterliches Vertrauen in sein eigenes Können und Wissen. »Jan, du hast keine Ahnung von südafrikanischem Recht und dort keine Zulassung als Anwalt.«
    »Ich werde mir erst mal diesen Mr. Norman und seine Frau vorknöpfen, man muss sich ja nicht immer gleich vor Gericht prügeln!« »Versprich, dass, falls du in Schwierigkeiten geraten solltest, du dich sofort an Julius Kappenhofer wendest oder uns anrufst. Bitte!« Jan fuhr hoch. »Ganz bestimmt nicht! Du weißt, was ich von dem halte.«
    Finster sah ihn sein Vater unter zusammengezogenen Brauen an. »Hör mal, Sohn«, beharrte er, »du hast keine Ahnung, mit wem du dich da anlegst, wozu die fähig sind!«
    Angriffslustig senkte Jan den Kopf. »Das ist unsinnig, Südafrika ist schließlich ein Rechtsstaat.«
    Schweigen knisterte zwischen ihnen. Schon seit dem späten Morgen türmten sich wieder schwere Wolken über der Stadt auf, schwüle Luft stand zwischen den Häusern, und das dumpfe Rumpeln der
    Vorboten des Unwetters untermalte die Stimmung zwischen Vater und Sohn, die sich gegenseitig fixierten wie zwei Kampfhähne. Henrietta schluckte den sarkastischen Kommentar hinunter, der ihr auf der Zunge lag. Er würde der Auftakt zu einem lautstarken familiären Streitmarathon sein, dem sie sich heute nicht gewachsen fühlte. Auf einmal erschien es ihr bodenlos leichtsinnig, Jan, ihr Kind, in die Höhle des Löwen zu schicken.
    Obwohl er in Afrika geboren war, war er kein Afrikaner mehr, hatte er verlernt, mit welcher Vorsicht man sich durch den Dschungel bewegen musste, verlernt, auf Schatten zu achten, Steinen aus dem Weg zu gehen, die ihn zum

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