Ins dunkle Herz Afrikas
schieben, die vor ihr standen. Jan im Flugzeug über Afrika, berührt von den ersten Strahlen der afrikanischen Sonne, später auf dem Flug von Johannesburg nach Durban, unter ihm das ockerfarbene, verdorrte Gras des Highvelds, das allmählich grüner wurde, saftiger, bis er die zerklüfteten Hänge der Drakensberge überflog und über den grünen Hügeln Natals schwebte, zum Meer hinunter, mit jedem Meter Durban näher, das weiß im Dunst des Morgens schimmerte. »Jetzt müsste er in Durban landen«, bemerkte lan gegen Mittag, »hoffentlich holt ihn Julia ab.«
»Ja«, sagte sie, »ja, sicherlich. Julia ist pünktlich. Er wird sicher gleich anrufen.« Sie holte den Spaten aus dem Gartenhäuschen und machte sich über das Dreiblatt her.
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Aber das Telefon blieb still.
Am frühen Nachmittag war das letzte Unkraut vernichtet. Schwer atmend lehnte sie auf ihrem Spaten. »Ich verstehe nicht, warum Jan sich nicht meldet«, rief sie lan zu, der im Liegestuhl lag, »er hatte doch versprochen anzurufen, sobald er gelandet ist. Er müsste seit Stunden da sein.«
»Er wird mit Julia und Karsten Wiedersehen feiern. Vielleicht sind sie auf dem Weg vom Flughafen im Stau stecken geblieben - es gibt so viele Möglichkeiten!
Mach dir keine Sorgen.« Entspannt blätterte er in der Zeitung.
Sie warf den Spaten hin und ging unter die Dusche. Danach, von einer unerklärlichen Unruhe ergriffen und unfähig, sich auf die Zeitung zu konzentrieren, schaltete sie ziellos von einem Fernsehprogramm auf das andere.
»Kein Flugzeugabsturz gemeldet, Gott sei Dank. Aber es ist etwas passiert«, murmelte sie, »ich spür's.« In der nächsten Stunde, die quälend langsam vorbeitickte, vermochte sie kaum noch stillzusitzen. »Ich ruf Julia an, ich muss wissen, ob alles in Ordnung ist.« Ihre Hand lag schon auf dem Telefon, als es klingelte. Sie riss den Hörer ans Ohr. Im ersten Augenblick erkannte sie die hysterische, von Weinkrämpfen geschüttelte Frauenstimme nicht. »Ich kann nichts verstehen!«, rief sie verzweifelt. »Mami!« Es war Julia! »Mami, er ist entführt worden.« »Was?« Schlagartig zog sich ihr Inneres zusammen, als hätte jemand einen Kübel Eiswasser über sie geschüttet. Sie stellte das Telefon auf Lautsprecher, dass lan mithören konnte. Die eigene Angst unterdrückend, gelang es ihr, Julia so weit zu beruhigen, dass sie zusammenhängend erzählen konnte, wie und wo sie Jan zuletzt gesehen hatte.
»Sag ihr, dass ich Neil alarmieren werde«, flüsterte lan und benutzte ihre zweite Leitung im Schlafzimmer, um seinen Freund in der Redaktion in Durban anzurufen. »Neil wird sich darum kümmern«, berichtete er ihr kurz darauf, »er wird Daddy Kappenhofer anrufen, der den Polizeiminister kennt. Neil meint, der wird seine Mannen ausschwärmen lassen. Ich soll dich grüßen und dir sagen, dass er dir verspricht, Jan zu finden.«
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Sie teilte es Julia mit. »Bleib am besten zu Hause, falls er anruft, mein Liebes, und verlass dich auf Julius Kappenhofer, wenn einer ihn finden kann, ist er es.« Hoffendich, zitterte sie, oh, hoffentlich!
Die Nacht in Hamburg war hell und warm, eine Nachtigall sang, und das Mondlicht machte Scherenschnitte aus den zarten Bambuswe-deln am Teich, zauberte silbrig glänzende Lichtreflexe auf die Wasseroberfläche. Sie saßen am Terrassentisch, die Ratatouille auf ihren Tellern war kalt und unberührt, und warteten. Henrietta war erfahren im Ritual des Wartens. »Wir müssen unsere Gedanken ablenken, lass uns Schach spielen.« Sie stellte die Figuren auf und ließ lan die Farbe wählen.
»Es geht nicht«, kapitulierte sie nach einer zähen halben Stunde, »ich kann mich nicht konzentrieren.« Sie schaltete den Fernseher ein. »Vielleicht finden wir einen anständigen Thriller.« Der einzige, den sie fanden, handelte von einer Entführung. Sie schaltete aus. Die Zeit dehnte sich, die Nacht hüllte sie ein.
»Wir können während der Nacht nichts ausrichten, wir könnten ebenso gut ins Bett gehen«, schlug lan vor, machte aber keinerlei Anstalten dazu.
Ich überlebe es nicht, dachte sie, wenn Jan etwas passiert, überlebe ich es nicht. Mein Kind!
»Nein«, sagte lan, als hätte sie laut gesprochen, »nein, das wird nicht passieren!« Er zog sie in seine Arme, und sie warteten weiter. »Trotzdem werde ich mir nie vergeben, dass wir ihn nicht davon abgehalten haben, dass wir zugelassen haben, dass er sich in diesen Sumpf begab.« »Ich weiß. Ich auch nicht.«
Sie zahlten ihren Preis in
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