Ins dunkle Herz Afrikas
verziert mit kleinen Federzeichnungen und dem Wappen der Cornehlsens. Sie hing eingerahmt neben dem Kamin. Ralf hörte seine Bemerkung, aber an seiner Selbstgefälligkeit perlte
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der Sarkasmus ab wie Wasser vom Entengefieder. Außerdem hatte Henrietta den leisen Verdacht, dass er nicht wusste, was ein Parvenü war, und schon gar nicht, dass er damit beleidigt werden sollte. Er kam aus sehr einfachen Verhältnissen, zeichnete sich aber durch eine ungeheure Kraft, unbekümmerte Entschlossenheit und das Geschick aus, billig eingekaufte Artikel teuer weiterzuverkaufen. Er hatte dieses schiere, glatte Äußere des Siegertyps.
Stets war er tief gebräunt, auch im dunkelsten Winter, die glatten blonden Haare immer perfekt geschnitten und geföhnt, und seine Kleidung zeigte jene sorgfältige Vollkommenheit, die jemand entwickelt, der nicht immer wohlhabend gewesen ist.
»Er will reich sein«, erzählte Susi vor der Hochzeit glücklich, »einfach nur reich. Ist das nicht beeindruckend? Die meisten Männer, die ich bisher kennen gelernt habe, wollen Arzt werden oder Popmusiker oder schneller laufen können als andere. Er will schlicht reich sein. Er ist so stark.« Sie seufzte versonnen. »Ich bin restlos verliebt in ihn.«
An einem sonnigen Tag Ende Oktober heirateten sie. Ralf legte Wert darauf, dass Susis Erscheinung seine finanzielle Situation reflektierte. Er behängte sie mit dicken Goldketten und Diamanten und hätte am liebsten die Etiketten ihrer Modellkleider außen aufgenäht. Susi betonte zwar, dass ihr das peinlich sei, doch sie genoss die Dinge, die ihr Ralfs Geld ermöglichten. Sie fuhr einen kleinen, niedlichen Mercedes und zwängte ihre üppige Figur in Versace und Valentino. Zur Hochzeit kaufte Ralf das Haus im Als-tertal. Es war ein bisschen groß nur für die zwei, ein Haus, das Kinder brauchte, um es zum Leben zu erwecken, ein altes Haus, mit winkeligen, kuscheligen Zimmern, einem Reetdach und verwunschenem Garten mit Gänseblümchen im Rasen und üppig rankenden Rosen.
»Ich will viele Kinder haben«, strahlte sie, »mindestens vier, oder fünf- eins für die Nacht der stürmischen Leidenschaften.« Sie hob ihre herrlichen schwarzen Augen und sah ihren Mann mit einem Ausdruck von so hingebungsvoller Sinnlichkeit an, dass die Hoch-116
zeitsgäste je nach Charakter entweder betreten zur Seite sahen oder Beifall klatschten.
»Kinder können wir uns noch nicht leisten, wir müssen warten, bis die Geschäfte besser gehen«, knurrte er mit einer Stimme, die keine Diskussion duldete.
Henrietta erinnerte sich noch genau, dass Susi laut lachte und ihre dunkelbraunen Locken schüttelte. Sie schien das nicht wirklich ernst zu nehmen. Das war kein Wunder, denn im Vergleich zu ihren Freunden schwammen sie in Geld. Aber Ralf ließ die Gänseblümchen roden, schnitt die Rosen bis auf zwei Handbreit über den Boden zurück und hielt den Rasen kurz mit ordentlichen, sauberen Kanten. Susi ignorierte auch das, und kurz nach der Hochzeit kündigte sich das erste Kind an. Ralf geriet in Weißglut.
Susi rief sie an, obwohl sie wirklich kein enges Verhältnis hatten. Henrietta war fünfzehn Jahre älter als sie, Susi existierte bisher nur am äußersten Rand ihres Lebens. »Er will mit mir nach Holland in eine dieser Abtreibungskliniken fahren«, weinte sie, »er sagt, die machen das schnell und diskret ...« Sie schluchzte jämmerlich. »Aber das ist nicht wahr, ich merke etwas, sie werden mir mein Baby aus dem Bauch holen, sie ... sie werden es einfach töten und wegwerfen! Was soll ich machen, Henrietta?«
Henrietta versuchte ihre Emotionen unter Kontrolle zu bringen. »Dieser brutale Mistkerl«, knirschte sie, »soll lan ihn sich einmal vornehmen? Man müsste ihn wegen geplanten Mordes belangen ... und Nötigung und seelischer Grausamkeit«, setzte sie hinzu. »Er darf nicht wissen, dass ich dich angerufen hab.« Susis Weinen war das eines verzweifelten Kindes.
»Dann sag nein, denk an dein Baby, das wird dir Kraft geben«, sagte sie endlich. Sie wusste, dass ihre Ratschläge öfter von unbarmherziger Offensichtlichkeit waren. Tita nannte das dann ihr unerträgliches Deutschsein, aber jeder andere Rat wäre gegen ihre Überzeugung gewesen. »Ruf mich an, wenn du Hilfe brauchst.« Erstaunlicherweise brachte Susi es tatsächlich fertig, nein zu sagen. Ein paar Tage später besuchte sie Henrietta. »Er hat mich aus dem
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Schlafzimmer verbannt, er kann es nicht ertragen, wie mein perfekter Körper anschwillt,
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