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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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er kann dann in Zukunft nicht mehr du-weißt-was-ich-meine. Er sagt, er würde immer nur meinen aufgeblasenen Bauch vor sich sehen und ihn nicht mehr hochkriegen.« Sie seufzte. »Ehrlich gesagt, bin ich ganz froh. Ich hab im Moment sowieso keine Lust.«
    In der zwölften Woche verlor Susi ihr Baby.
    »Es war bestimmt irgendwie krank«, meinte Ralf erleichtert, »missgebildet oder so.«
    Henrietta konnte nicht nachvollziehen, wie er es geschafft hatte, aber er brachte Susi dazu, sich einer Tubenligatur zu unterziehen. Für Wochen versank sie in einer Tränenflut. »Ich kauf dir einen Hund«, knurrte Ralf deutlich ungehalten. »Ich will aber ein Kind«, flüsterte Susi und verkroch sich. Blass, ihre vollen braunen Locken strähnig, Augen schmerzverdunkelt, driftete sie durchs Leben wie ein steuerloses Boot im Nebel und aß und aß und aß. Sie wurde füllig und dann dick und kaufte mit der gleichen Gier, wie sie aß. Bald füllten ihre abgelegten Kleider ein ganzes Zimmer. Das Zimmer, das als Kinderzimmer vorgesehen war. Henrietta schenkte ihr ein Kätzchen. Ralf bestand darauf, das Tier wieder zurückzugeben. Zu Katzen hatte er kein Verhältnis, sie gehorchten nicht, waren unabhängig und unbestechlich. Hunde, mit denen konnte er etwas anfangen, die kuschten und machten Männchen. Henrietta knöpfte ihn sich vor, benutzte ihre eisigste Großmamastimme und setzte durch, dass Susi die Katze behielt. Nachdenklich wurde sie jedoch, als sie feststellte, dass das Kätzchen in Kinderkleidung gesteckt wurde und in einem Puppenwagen schlief. Susi schleppte es ständig mit sich herum, fütterte es mit Beef-tatar, angemacht mit Eigelb und einem Schälchen Sahne als Nachtisch. Das Kätzchen verwandelte sich nach und nach in eine Sofarolle und starb noch in jugendlichem Alter an Herzverfettung. Susi kaufte als Reaktion fast die Läden leer.
    Ralf schickte sie zu einem befreundeten Psychiater, und der steckte sie in seine Klinik, in ein Zimmer mit Gittern vor den Fenstern und 118
    einer strengen Schwester, die sich keinen Firlefanz von Patienten gefallen ließ.
    Es ging ihr etwas besser danach, sie nahm ab, schluckte einen Cocktail von Pillen, zur Beruhigung, zur Aufhellung der Düsternis ihrer Seele, zur Blutdrucksteigerung, und die Antibabypille. Ralf achtete pingelig darauf, dass sie ihre Tabletten zu den vorgesehenen Zeiten einnahm. Er stellte den Wecker an seiner Armbanduhr, rief sie an, um zu kontrollieren, ob sie parierte. Sie funktionierte nach außen wieder als seine Frau, und das war ihm wichtig, denn als geborene Cornehlsen war sie sein prestigeträchtiges, seriöses Aushängeschild.
    Allerdings entwickelte sie ein paar kleinere Phobien. Mäuse versetzten sie in kreischende Panik, wegen einer Wespe betrat sie tagelang nicht den Garten, und Spinnen verfolgten sie durch ihre unruhigen, einsamen Nächte. Und Vögel im Käfig. Die konnte sie überhaupt nicht ertragen.
    Susi klammerte sich an Henrietta und teilte ihr spontan ihre geheimsten Probleme mit - immer, zu jeder Tages- und Nachtzeit, bis sich bei ihr Schlafstörungen einstellten.
    Sie ließ sich eine zweite Telefonleitung legen, von der sie Susi nichts sagte.
    Bei der anderen zog sie ab sieben Uhr abends den Stecker aus der Wand. »Es wird mir einfach zu viel, ich kann es nicht mehr ertragen«, klagte sie lan,
    »sie kennt keinen Abstand, hat keine Hemmschwelle, sie erzählt mir die unappetitlichsten Sachen und benutzt mich als seelischen Ascheimer.« Sie seufzte gereizt. »Sie kann reden, es ist unglaublich! Wenn sie alles losgeworden ist, zwitschert sie fröhlich davon, und ich hab die Depressionen.«
    »Schick sie zum Arzt«, murmelte lan abwesend, mit einem Problem für den Bau seines neuen Segelbootes beschäftigt.
    Der 31. Mai 1989, zehn Uhr zwölf, sollte einer dieser Momente werden, den sie nie würde vergessen können. Immer würde sie sich daran 119
    erinnern, wo sie sich befand, als sie es entdeckte, wie das Wetter war und ihre Stimmung, was sie sah, roch und hörte. Wie immer Ende Mai weilten sie eine Woche auf einer kleinen Finca auf Mallorca, ohne die Kinder. Die zogen schon seit langem vor, ihren Urlaub mit Freunden zu verbringen. Die Sonne überstrahlte einen Himmel von mediterranem Frühlingsblau, Zikaden sangen, die Glocken einer Schafherde klangen durch den stillen Morgen. Sie hatten im Patio unter Orangenbäumen gefrühstückt, berauscht von dem süßen Duft der weißen Blüten, planten jetzt den täglichen Strandbesuch. Im Badezimmer cremte sie

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