Ins dunkle Herz Afrikas
erreichten, eine Frauenstimme kam dazu, es war die von Maman. Sie schrie, und ich wunderte mich, dass sie schreien konnte wie die Mauersegler.
Maman drückte und schüttelte mich, bis ich widerwillig meine Augen öffnete.
Ich wollte weiterträumen von meinem Flug, wollte mit den Mauerseglern spielen.« Susi schlug ihre Augen auf, kehrte in die Wirklichkeit der hell erleuchteten Kabine und gleichmäßig rauschenden Flugzeugmotoren zurück.
Geräuschvoll schlürfte sie die Reste ihres Cognacs. Beifall brach um sie herum aus. Das Ehepaar, das auf der anderen Seite des Gangs saß, hatte sich vorgebeugt und ungeniert zugehört. »Wunderbar«, seufzte die Frau, »jetzt weiß ich, warum Schehera-zade ihren Kopf behielt. Welch eine wunderbare Geschichte.« Das war es, ohne Zweifel.
»Willst du uns erzählen, dass du deswegen nach Afrika fliegst«, lan hatte sich vorgebeugt, »weil du als Kleinkind von einem Turm gefallen bist - oder es geträumt hast? Du spinnst doch, Susi!« Henriet-ta fing seinen »Ich-hab's-dir-doch-gesagt«-Blick auf. »Total vermurkst«, brummte er und lehnte sich wieder zurück. »Manchmal bist du ein richtig blöder Scheißer«, fauchte Susi über ihre Schulter und gewährte ihren Zuhörern einen Blick auf eine andere Susi, eine, die unerwartet Krallen und Zähne hatte, verfiel dann aber ohne Übergang wieder in ihren Märchenerzählerton. »Ich betrat schnurstracks das Reisebüro, fragte, wo dieses Natal liege - Hen-rietta redet zwar häufiger darüber, aber so richtig hab ich nie zugehört-, und man sagte mir, an der Ostküste Südafrikas.
Ich nahm meine Kreditkarte und buchte auf der Stelle einen Flug, und dieser hier war der einzige, auf dem noch ein Platz frei war, und das auch nur, weil irgendjemand storniert hatte. Ich fuhr nur kurz nach Hause, um meinen Pass und ein paar Sachen zu holen. Nun bin ich hier.« Zum ersten Mal lächelte sie, und man sah, welche Schönheit ihre Fettpolster verbargen. »Ich möchte auf diesem Berg stehen und noch einmal das Gefühl haben, dass ich fliegen kann.« »Susi, was machst du, wenn du den ersten Spinnen begegnest?
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Lass dir gesagt sein, dass die Spinnen in Afrika alle groß, schwarz und haarig sind und meistens giftig«, ärgerte sie lan wieder von hinten.
Susi riss ihre Augen auf, als erwarte sie Heerscharen von schwarzen, haarigen Spinnen hier im Flugzeug. Henrietta bekam Mitleid mit ihr. »Hör auf, Liebling«, raunte sie, »siehst du nicht, dass sie völlig fertig ist?«
»Aber, Liebes, du weißt, dass die Spinnen dort riesig sind, außerdem gibt es Schlangen, von denen ein Biss genügt, um dich ins Jenseits zu befördern, Ratten so groß wie kleine Hunde, nicht zu reden von Hyänen, Löwen ...«
Sie machte ihm ein Zeichen zu schweigen. Er stand auf, Spott hatte seine Mundwinkel heruntergezogen, und bedeutete Susi, dass er seinen angestammten Platz wieder einzunehmen gedachte. Dann klemmte er sich die Kopfhörer über die Ohren und sah sich den Thriller an, der im Bordfernseher lief.
Henrietta kuschelte sich an ihn und streichelte seinen Oberschenkel, bis er ihre neugierige Hand festhielt und sich seine Mundwinkel wieder nach oben bogen.
Sie konnte nicht schlafen. Während das große Flugzeug durch die Nacht rauschte, um sie herum in der abgedunkelten Kabine die meisten Passagiere schliefen und nur wenige auf das flimmernde Fernsehbild starrten, war sie in Gedanken schon vorausgeeilt, war heimgekehrt, begrüßte ihre Freunde. Auch lan schlief nicht fest, er döste nur, sie hörte das an seinem Atem.
»Samantha wird ihr Baby bald bekommen«, murmelte sie, »Tita flattert schon herum wie eine Glucke.« Vor vier Jahren hatten sie ihre Freunde zum letzten Mal gesehen, als Samantha, genannt Sammy, »a und Neu Robertsons älteste Tochter, ihre Schwiegereltern in a len besuchte. Sammy hatte wie ihre Mutter grüne Augen und üp-P g£> kupferrote Locken. »Tita hat eine ausgewachsene Seelenkrise, sich partout nicht als Großmutter sehen, auf der anderen 183
Seite kann sie es kaum abwarten.« Sie lachte leise. »Tita als Großmutter, kannst du dir das vorstellen?«
»Hmhm«, brummte lan und legte den Kopf an ihre Schulter. Sie schob ihre Hand in seine. Tita und ihre Familie, die Menschen, die ihnen nach Julia und Jan am nächsten standen. Ihre beiden Söhne, Richard und Michael, genannt Dickie und Micky, waren völlig unterschiedlich. Beide hatten Neils helle Haare, die hellen Augen, die nur leicht gebräunte Haut. Richard war ruhig und
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