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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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Außerdem hat sie ein seelisches Tief.«
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    »Wenn sie Depressionen hat, soll sie zu einem Therapeuten gehen und dich nicht damit belasten. Wie ich sie kenne, braucht sie immer ein Publikum, eine Bühne, auf der sie sich darstellen kann, und hinterher geht es ihr gut, und du hast die Depressionen!« Sie küsste ihn. »Lies deine Zeitung, Honey, und lass uns Frauen reden. Spätestens in Durban trennen sich unsere Wege, das verspreche ich dir. Sie muss ja einen Grund haben, weswegen sie jetzt nach Südafrika geflogen ist, vermurkst oder nicht.«
    Susi lieferte dann das Meisterstück ihrer Erzählkunst. Henrietta lehnte sich in ihren Sitz zurück, schloss die Augen und hörte zu. Susis Worte ließen Ralf und Kathrin vor ihr entstehen, in der Bewegung eingefroren wie ein Schnappschuss, Ralfs Arm um Kathrin, sie lachte, ihre Haare flogen im Wind.
    »Was hast du denn erwartet, sieh dich doch nur an. Du siehst aus wie eine Seekuh, so fett und unförmig«, hatte er gespottet, »außerdem nehm ich dir doch nichts weg -du willst doch gar nicht mehr mit mir ins Bett. Von mir willst du doch nur noch Geld für Fressen und Klamotten für deine überquellenden Schränke.«
    »Die Worte taten weh«, sagte Susi leise, »aber das Schlimmste war sein Blick, so abfällig, so ...«, sie suchte nach Worten,»... so bewusst verletzend. Ich wartete darauf, dass ich umfallen würde, ich betete, dass ich einfach tot umfallen würde. Diesen Blick konnte ich nicht länger ertragen.«
    Aber sie war nicht umgefallen, hatte zusehen müssen, wie Ralf und Kathrin davongingen, lachend, ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen.
    Danach war sie ziellos durch die Stadt gestolpert, stand auf Brücken, neigte sich tief über das Geländer, bereit, sich in das schwarze, kalte Wasser fallen zu lassen. Doch es waren zu viele Menschen um sie herum, die an diesem geschäftigen Freitagmorgen ihre letzten Weihnachtseinkäufe machten. So war sie weiter durch die Häuserzeilen gestrichen, ziellos, unfähig zu verkraften, dass Ralf, ihr Mann, ihre große Liebe, sie verraten hatte. »Irgendwann später stand ich vor einem Reisebüro und sah dieses
    Bild im Schaufenster.« Susi wurde lebhaft. »Es war von einer felsen-gekrönten Anhöhe aufgenommen worden, die aufragte wie ein Turm- Zu Füßen des Betrachters schwebten Vögel über einer üppig grünen Landschaft, die sich weit bis zum Horizont erstreckte, und in der Ferne ahnte man das Meer. >Besucht Natal<, stand quer darüber. Ein überwältigendes Gefühl von Freiheit und Freude durchflutete mich. Ich starrte das Bild an.« Susi atmete tief durch. »Auf einmal roch ich frisch gemähtes Gras, hörte Mauersegler schreien, fühlte mich, als könnte ich fliegen, und dann erinnerte ich mich wieder. Es passierte, als ich ein kleines Mädchen war, etwa vier Jahre alt. Ich habe vergessen, was vorher war oder nachher, aber es muss ein schöner Tag im frühen Juli gewesen sein, und ich war auf einen hohen Steinturm geklettert. Zu meinen Füßen lag die Welt, über mir war nur der Himmel, blau glänzende Mauersegler wiegten sich unter mir in der warmen Luft. Ich hob meine Arme, ein kräftiger Windstoß ergriffmeine Ärmel, hob mich hoch, der Wind spielte mit mir. Die Vögel stiegen zu mir empor, wandten mir ihre Köpfchen zu und schrien. Ein herrlicher Schrei.«
    Susi seufzte, und Henrietta mit ihr. lan hinter ihnen raschelte mit der Zeitung, knurrte etwas Unverständliches. Susi ignorierte ihn. »Der Schrei einer freien Kreatur, ich antwortete ihnen mit einem Juchzen, immer höher und lauter schrie ich, mein Herz hämmerte, und dann breitete ich meine Arme aus.
    Ich glitt durch den Raum, die Unendlichkeit, gestreichelt von warmer Luft, Erde und Himmel drehten sich im Farbenrausch, ich war trunken vor Glück.« Sie redete, als wäre sie in Trance. »Die Mauersegler begleiteten mich, ihre hellen Schreie mischten sich mit meinen. Mein Körper fiel, meine Seele wollte sich eben allein auf den Weg machen, als ich in dem weichen vrfas landete, das Bauer Wichers unten auf seinem Heuwagen auftürmte. Ich tauchte unter in der grünen Flut, die über mir zusam-menschlug, atmete den Duft der frisch gemähten Halme. Ich spürte
    eine Furcht. Ich schloss meine Augen, versank in dem Grashaufen, m dessen Kern sich Wärme entwickelt hatte, wie in einem Nest.« Für ugenblicke horchte Susi in sich hinein. »Aber dann packte mich 180
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    eine Hand am Oberarm, riss mich hoch, eine Männerstimme stammelte Worte, die mich nicht

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