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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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als Präsident Bush unter dem Decknamen
    »Wüstensturm« den Irak mit einem Bombenteppich überzog, war sie allein. lan war seit zwei Tagen auf einer Werft in Rotterdam, die sich für sein Patent interessierte. Sie war mit Kopfschmerzen aufgewacht und verspürte keine Lust aufzustehen, als das Telefon sie aus ihrem Dämmerschlaf riss.
    Es war Ingrid. Sie klang sehr aufgeregt. »Mach das Fernsehen an, wir haben Krieg!«
    Aus dem Telefon dröhnten Flugzeugmotoren, Sirenen jaulten. Ihr Herz klopfte plötzlich bis zum Hals. Krieg? »Was meinst du mit Krieg?« Sie konnte das nur falsch verstanden haben. Rasch vergewisserte sie sich, wo sie sich befand. In ihrem Haus in Hamburg, und hier war kein Krieg! Amseln flöteten, das Baby ihrer Nachbarin brüllte, der Lärm der einen Kilometer entfernten Ringstraße klang wie das Rauschen eines fernen Meeres. Dieses Wissen, sicher zu sein, das war das Fundament, auf dem sie ihr Leben hier aufbaute. »Was redest du für einen Unsinn«, zischte sie ihre Freundin an, »und das zu nachtschlafener Zeit.« Es war erst sieben Uhr morgens, absolut nicht die Zeit, zu der sie zu derartigen Scherzen aufgelegt war, außerdem hatte sie Kopfschmerzen.
    »Liebe Henrietta, die Amis schmeißen Saddam Hussein Bomben auf den Kopf, und der wird sich das nicht gefallen lassen, sagt Heiner, der wird zurückschlagen, und wir sind die, die es abkriegen werden, sagt Heiner, nicht die Amis, die sind schön weit weg. Aber vorher hauen wir zwei ab, das versprech ich dir, nach Australien oder so, so weit weg wie möglich!« Henrietta warf den Hörer von sich, als hätte er sie gebissen, und ver-428
    kroch sich unter der Decke. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, überfielen sie Bilder aus dem anderen Krieg, dem Krieg, den sie als kleines Mädchen in Lübeck erlebt hatte. In ihrer Erinnerung mischte sich Sirenengewimmer mit dem Rasseln von Kettenpanzern und dem hohen Pfeifen nahender Bomben, der flackernde Feuerschein brennender Häuser mit der schwarzen Angst, die sie damals gepackt hielt.
    Um diesen Bildern zu entgehen, stand sie auf und schaltete das Fernsehen ein.
    Flugzeugmotoren donnerten, Bomben detonierten, es krachte und blitzte, Sirenen heulten - es klang wirklich wie Krieg! Ihre Kopfschmerzen steigerten sich ins Unerträgliche. Das Trommelfeuer der aufgeregten Stakkatostimmen der CNN-Korrespon-denten, die nonstop in Sondersendungen über den Krieg berichteten, schmerzte sie körperlich, und sie wünschte, lan würde bei ihr sein, würde ihr Ruhe und Schutz geben, die Welt draußen ausschließen.
    Als hätte er ihren Wunsch vernommen, klingelte das Telefon, und sie hörte seine Stimme. »Ich bin in vier Stunden bei dir. Ich weiß doch, was das Wort
    »Krieg« für dich bedeutet. Bald bin ich da, hab keine Angst!«
    Er hatte die Kriegsjahre auf den elterlichen Ländereien in Schottland im gemächlichen Alltag eines großen Gutshofes verbracht und nicht einmal in der Nachkriegszeit Hunger gelitten. Krieg war für ihn etwas, was immer mal wieder regional aufflackerte und sich dann wieder erledigte. »Verrückte und geldgierige Verbrecher wird es immer geben«, war sein häufigster Kommentar, und seine Frau beneidete ihn um seine innere Unversehrheit.

    Nach dreieinhalb Stunden stürmte er ins Haus und schloss sie in die Arme. »Ich wette, die Militärs sind glücklich, dass sie endlich mal ihr Spielzeug ausprobieren können. Es wird die Rüstungswirtschaft tüchtig ankurbeln. Mach dir keine Sorgen, der Spuk ist bald vorbei. Und jetzt gehen wir essen!« Seine Stimme klang leicht und sorglos. Der Spuk dauerte fast sechs Wochen. Am Ende brannten die Ölfel-429
    der von Kuwait, und Frau Brunckmöller vergaß ihre Abneigung gegen Henrietta und klingelte voller Panik an ihrer Tür. »Die Ölwolke kommt«, sprudelte sie,
    »wir werden keine Luft mehr kriegen und jahrelang nur Winter haben, ich habe schon genügend Lebensrnittel für ein Jahr in unseren Bunker geschafft, eigentlich wollten wir nach Florida zu meinem Bruder fliegen, aber es heißt, sie schießen alle Flugzeuge nach Amerika ab, ach Gott - hoffentlich überleben wir das!« Sie rang die Hände, war völlig außer Atem. Henrietta bat sie herein, trichterte ihr, getreu nach Titas Rezept in Notsituationen, übersüßen Kaffee ein und bot ihr einen Cognac an. »Einen klitzeklitzekleinen vielleicht, mehr vertrag ich nicht, mein Herz, wissen Sie, mein Blutdruck«, antwortete ihre Nachbarin, und als sie zu Henriettas Faszination drei große Cognacs in

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