Ins dunkle Herz Afrikas
einmal versucht hat, sich euer Haus unter den Nagel zu reißen, nicht wahr?«
Und das hatten Valerie Kruger und Hendrik du Toit mit allen Mitteln versucht.
Kurz vor dem Richtfest ihres neuen Hauses hatte ein schwerer Sturm nachts über Natal getobt, die Straßen waren überflutet, abgerutschte Gartenhänge, Geröll und Schlamm machten sie unpassierbar. Gleich morgens früh, nachdem sie die Nacht hindurch bis zur totalen Erschöpfung gearbeitet hatten, ihr Donga-Haus zu retten, waren sie zu ihrem Neubau gefahren. Über Felsbrocken, umgestürzte Bäume und durch eine dicke Schlammschicht mussten sie sich ihren Weg dorthin bahnen. Der Sturm hatte dem Haus nichts angetan, aber irgendjemand hatte die Pfeiler, auf denen die Decken ruhten, angesägt. Die Decken waren teilweise eingebrochen. Der Architekt eröffnete ihnen, dass die übrigen Pfeiler eingerissen werden mussten, denn auch sie waren beschädigt und nicht mehr sicher. Henrietta war in tiefste Verzweiflung gestürzt und abends, als das Telefon klingelte und die näselnde Stimme du Toits sich gemeldet hatte, 432
vollends zusammengebrochen. Nur zu genau erinnerten sie sich an das, was er gesagt hatte. »Jeder hat seinen Preis, und so auch Sie den Ihren. Ich muss nur herausfinden, was er ist.« Das, was Daddy Kappenhofer ihnen jetzt erzählte, legte die Vermutung nahe, dass die eigentliche Drahtzieherin du Toits Schwester gewesen war. Als sie aufgelegt hatten, sahen sie sich besorgt an.
»Ho-ney, woher sie die Steuerschuld errechnet haben, weiß ich nicht«, sagte lan, »denn wir haben alle Steuern bezahlt, als wir das Land verließen. Die einzige Erklärung ist, dass unsere gute Valerie dran gedreht hat. Als Witwe des Generalstaatsanwalts hat sie sicher noch großen Einfluss und kann immer Hilfe von seinen Freunden in allen hohen Positionen des Staates und der Wirtschaft erwarten.« Als das Ausmaß seiner Worte einsank, konnte sie ein Zittern ihrer Hand nicht verhindern.
Er ergriff sie und hielt sie fest. »Nicht«, sagte er, »du weißt, Daddy Kappenhofer wird's schon richten. Er hat uns doch versprochen, dass seine Anwälte Überstunden einlegen werden.« »Trotzdem möchte ich, dass wir mit Jan darüber reden.« Er war als frisch gebackener Rechtsanwalt in eine von Hamburgs renommiertesten Kanzleien aufgenommen worden, und sie war ungeheuer stolz auf ihn. »Mit Julia natürlich auch, ich möchte nicht noch einmal den Fehler machen und die Kinder nicht einweihen. Sie sind alt genug.«
»Er hat doch gar keine Erfahrung, weder auf einem solchen Gebiet noch mit Menschen wie Valerie Kruger. Da wäre es klüger, Dr. Man-ningzu konsultieren, obwohl ich nicht glaube, dass uns ein deutscher Rechtsanwalt helfen könnte.
Das ist ein Fall für Daddy Kappenho-fers Wunder.«
»Mag sein«, antwortete sie und rief Jan trotzdem an. »Wie soll er denn sonst Erfahrung sammeln?«
Aber Jan reagierte ganz anders, als sie erwartet hatte. »Ich kann mir nicnt vorstellen, dass ein Staat eine Steuerschuld errechnet, wo keine lst«, hielt er ihr vor und ließ den Satz so verklingen, dass deutlich e, dass er annahm, der Vorwurf bestehe zu Recht.
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»Meine Güte, bist du naiv«, unterbrach sie ihn enttäuscht, »die sind noch zu ganz anderen Sachen fähig! So eine kleine Steuerschuld zu erfinden bedeutet keinerlei Problem für die.« Sie hatten ihre Kinder nie ganz darüber aufgeklärt, was 1968 wirklich passiert war. Als sie es, viel zu spät, einmal während eines gemeinsamen Essens versuchten, die Zwillinge waren gerade einundzwanzig geworden, hatte ihnen Jan kurz das Wort abgeschnitten. »Ihr dramatisiert«, warf er ihnen vor, »Geheimagenten, Polizei, Beschattungen, Bombenattentate ... das gibt es doch nicht im wirklichen Leben. Vermutlich habt ihr euch das alles eingebildet, es kann nicht so gewesen sein, Verfolgungswahn scheint da unten ja eine Nationalkrankheit zu sein.«
Henrietta hatten die Worte ihres Sohnes wie Keulenschläge getroffen, lan war nur erstarrt. Im ersten Moment hatte sie mit einem seiner seltenen, an Jähzorn grenzenden Wutanfälle gerechnet, aber es passierte nichts. Er war vom Tisch aufgestanden und aus dem Zimmer gegangen, was sie mehr erschreckt hatte, als jeder Wutanfall es getan hätte.
»Sieh, was du angerichtest hast!«, zischte sie und rannte lan hinterher. Aber er hatte auch ihr den Rücken zugewandt, sich ihrer Hand entzogen, mit der sie ihm liebevoll den Nacken massierte, eine Geste, die hieß, ich bin für dich da, rede mit mir. Aber er
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