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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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disziplinierte Schlange um Häuserblocks, über die schlaglochübersäten Straßen der Townships an Wellblechhütten und Prachtvillen vorbei, über die Felder und Hügel des weiten Landes. Junge, Alte, Gesunde, Kranke auf Krücken oder in Rollstühlen, in sengender Sonne und in strömendem Regen, die Nacht hindurch warteten sie geduldig auf den Moment, für den sie mehr als vierzig Jahre gekämpft hatten. Das Recht, in ihrem eigenen Land zu wählen. Die Weißen in dieser Schlange gingen fast unter in der schwarzen Flut.
    Es war ein wunderschöner Morgen, schrieb Sarah ihr ein paar Tage später, ich bin mit der Sonne aufgestanden, denn mein Weg war weit. Ich habe mir mein Sonntagskleid angezogen, das ich immer zur Kirche trage, und den roten Sonnenhut, den Du mir geschenkt hast. Vilikazi zog seinen neuen Anzug an und seinen guten, weißen Hut. Auch unsere Nachbarn waren in ihre besten Sonntagssachen gekleidet, und wir machten uns gemeinsam auf den langen Weg durch den Busch und über die Sandstraßen zu unserem Wahllokal, um unsere Stimme abzugeben. Mit uns kamen viele hundert Menschen.
    Eine weiße Lady, die hinter uns in der Schlange wartete, genau wie wir in der heißen Sonne stand, half mir, als ich nicht mehr stehen konnte. Ich wollte mich auf die Erde setzen, was auch nicht mehr so leicht ist für mich, udadewethu, denn meine Knie wollen nicht mehr so, wie ich will, und sie, die weiße Lady in einem feinen geblümten Kleid und weißen Schuhen, bot mir den kleinen Stuhl an, den sie für sich selbst mitgebracht hatte. Sie machte mir die Ehre, ein wenig von meinem uPhutu, meinem Maisbrei, zu kosten, 485
    den ich in einem kleinen Topf vorsichtshalber mitgenommen habe, denn ich weiß, was es heißt, zu warten und hungrig zu sein. Ich habe viel in meinem Leben hinter den Weißen stehen und •warten müssen. Erst als die Sonne sich schon hinter den Hügeln versteckte, waren wir an der Reihe. Ich machte mein Kreuz -
    wo, kann ich Dir nicht sagen, denn die Wahl war geheim. Noch ist Mandela nicht Präsident, obwohl es sicher ist, dass er es wird, aber hast Du schon einmal gehört, dass ein Leopard plötzlich Streifen trägt und seine Zähne stumpf werden? Der Leopard verliert nie seine Flecken, und seine Zähne bleiben messerscharf, auch wenn er versucht, in Verkleidung aufzutreten. So kann man nie wissen, und deswegen, weiße Schwester, sag ich Dir nicht, wen ich gewählt habe, um unser Land in den Frieden und die Freiheit zu führen. Unser Land, udadewethu, unser Land!
    Henrietta brühte sich eine Tasse Kaffee auf und setzte sich ans Fenster. Der Apriltag wurde seinem Namen gerecht. Es regnete und schneite, und ein trübes Licht lag über Hamburg. Sarah hatte nichts von ihrem praktischen Menschenverstand verloren, ihrem gesunden Misstrauen allen gegenüber, die heute so und morgen anders reden. Sie glättete den Brief und las weiter.
    Ich steckte den Umschlag in die Urne, fuhr Sarah fort, es war ein großer Moment für mich. Ich habe meine Würde wiedergewonnen. Ich bin nicht mehr Sarah, das Girl, ich bin Mrs. Duma, Frau von Mr. Duma. Es ist ein sehr gutes Gefühl, eins, das mich stolz macht.
    Sie lächelte versonnen. Sarah verstand sich darauf, sich einer Gelegenheit gemäß anzuziehen und ihr eine besondere Würde zu verleihen. Als im Oktober 1976 die Transkei unter Häuptling Kaiser Man-tanzima als Premierminister als unabhängiges Homeland ausgerufen wurde, sollte das Fernsehen dieses Ereignis übertragen. Sarah nahm sich den betreffenden Tag frei und bat, sich die Zeremonie bei Henrietta im Fernsehen ansehen zu dürfen. Babykino, nannte sie es. Fernsehen gab es erst seit kurzer Zeit in Südafrika, und selbst Sarah, die Zusammenhänge meist schnell erkannte, untersuchte in einem Moment, in dem sie sich unbeobachtet glaubte, diesen schwarzen
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    Kasten von hinten, ob da nicht doch ein kleiner Mann drinsäße, wie lan ihr mit ernstem Gesicht erklärt hatte. Sie hatte nur kurze Zeit gebraucht, um zu begreifen, dass zwischen dem Schalter an der Wand und der Lampe an der Decke eine Leitung lief, die dann im Sicherungskasten an der Hauswand draußen endete, wo sie von dem dicken Kabel gespeist wurde, das die Männer von der Elektrizitätsgesellschaft dorthin gelegt hatten.
    Henrietta überhörte, wie sie einer ihrer Freundinnen dieses Phänomen erklärte.
    »Elektrizität«, erläuterte sie mit überlegener Miene, »ist etwas, was man nicht sieht, es läuft wie ein schnelles Feuer die Leitungen entlang, und dann brennt

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