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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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verkraften könnte. Sie wartete, bis lan nach Hause kam.
    Der Brief lehnte am Spiegel und schien von einer magischen Anziehungskraft zu sein. Es war ihr unmöglich, daran vorbeizugehen, ohne ihn anzusehen, und mehr als einmal streckte sie die Hand aus, um ihn an sich zu nehmen und aufzureißen. Aber sie tat es nicht. Sie wartete.
    Er stand in der Diele, geschäftsmäßig in seinem dunkelgrauen Anzug und der rot gepunkteten Fliege, und drehte den Brief in den Händen. Seine Haare waren mittlerweile vollständig weiß, das reine Weiß der Schwarzhaarigen, nicht das gelbliche der Blonden, und feine Linien machten sein Gesicht noch markanter.
    Sie fühlte eine so überwältigende Liebe in diesem Moment, wusste, dass sie sehr stark sein musste, um ihn zu schützen, falls der Brief et-491
    was enthielt, was ihm eine unheilbare Wunde zufügen konnte. Welche Anschuldigung war es gewesen, die sie 1989 fast ihre Freiheit gekostet hätte?
    Hatten sie - BOSS - kurzerhand etwas Kriminelles daraus gemacht, stand in irgendwelchen Akten die Lüge, dass er ein Landesverräter war oder ein Betrüger oder Schlimmeres, wie bei so vielen anderen, denen sie damit nicht nur die Freiheit, sondern auch noch die Ehre nahmen?
    Er holte seine Lesebrille hervor und schlitzte den Brief auf. Das Geräusch schien ihr schier das Trommelfell zu zerreißen. Das Schreiben war offensichtlich kurz. lan überflog es, schloss sekundenlang seine Augen und reichte es dann an sie weiter. Bestürzt entdeckte sie eine Träne an seinen Wimpern. Aber sie fasste all ihren Mut zusammen und las den Brief.
    Er war tatsächlich kurz, nur einen Satz lang.
    Es freut uns, Ihnen mitteilen zu können, dass alle gegen Sie verhängten Beschränkungen aufgehoben wurden und dass Sie und Ihre Frau uns willkommen sind.
    Das war alles, aber es erschütterte sie mehr, als ein Erdbeben es gekonnt hätte. »Heißt das ...«, sie stotterte, »ich meine, heißt das wirklich ...?«
    Er nickte nur. Mit einem Jubelschrei flog sie ihm um den Hals. Seine Freude war stiller, sie teilte sich ihr fast ausschließlich durch seine Hände mit.
    Sie streichelten sie, berührten ihre Lippen, ihre Haare, drückten sie, schließlich legte er sie an ihre Wangen, hob ihr Gesicht und küsste sie, langsam und zärtlich. Sein KUSS gab ihr einen Frieden, wie sie ihn seit Jahren nicht gekannt hatte.
    Dass sie noch immer nicht erfahren hatten, warum sie so verfolgt worden waren, ging in ihrer Freude restlos unter. Jan war entsetzt, ja, er reagierte wütend.
    »Warum tut ihr euch das an, ich versteh euch nicht! Manchmal denke ich, ihr habt einen geistigen Defekt, so etwas wie einen Todestrieb, wie die Lemminge!
    Wartet doch wenigstens ein paar Jahre, bis die sich da aussortiert haben!« Er war direkt aus der Kanzlei zu ihnen gefahren und lümmelte sich ihr gegenüber in einem Sessel - Krawatte gelockert, blaues Hemd, 492 -
    oberster Hemdknopf offen - und stocherte in dem Kuchen, den ihm Henrietta hingestellt hatte. Der Brief lag vor ihm auf dem Tisch. »Diese Kerle, die das Land bisher regiert und diese Scheußlichkeiten begangen haben, die jetzt durch die Presse gehen - die sind doch nicht einfach verschwunden!«
    »Julia braucht uns, abgesehen davon, will ich nicht immer nur warten, ich will nicht mit siebzig aufwachen und erkennen, dass ich mein Leben vergeudet hab«, antwortete seine Mutter, »dass ich versäumt habe, etwas zu tun, wofür es dann zu spät ist. Du musst einfach verstehen, dass wir nicht anders können!«
    »Julia kann sich auch eine Hilfe holen, Tita würde ihr sofort helfen, das wisst ihr!« Er musterte seine Eltern und seufzte. »Ich seh schon, das wird nichts!« Er biss vom Kuchen ab. »Das Original bleibt hier im Safe, ihr lasst eine notariell beglaubigte Abschrift machen und ein paar Fotokopien. Die Abschrift nehmt ihr mit, ein paar der Fotokopien auch. Seht zu, dass jeder von euch mindestens eine hat, eine nehme ich mit in die Kanzlei - und«, er schlug die Kuchengabel im Takt seiner Worte auf den Tisch, »ruft mich sofort an, wenn ihr da seid!«
    Sie war gerührt. Je rüder Jan wurde, desto besorgter war er in Wirklichkeit.
    So war das schon immer gewesen. Sie nahm ihren sich sträubenden Sohn, dem es nicht lag, große Gefühle zu zeigen, in den Arm. »Mach dir keine Sorgen, Liebling, die Abschrift ist schon beantragt, die Fotokopien liegen bei unseren Tickets. Wie du siehst, sind deine Eltern ziemlich lebenstüchtig.«
    Brummig sah er sie an. »Muss es sein?«, fragte er dann. Als

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