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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Schutz der aufgeschlagenen Zeitung, und es klang wie eine Beschwörung, »wir sind sicher! Jan ist Deutscher, kein Südafrikaner mehr, er hat einen deutschen Pass.« Sie ließ die Zeitung auf den Boden gleiten, streckte sich, blickte prüfend in den Himmel. Keine Wolke weit und breit. »Das Wetter wird halten. Lass uns morgen ins Umfolozi-Wildreservat fahren.« Mit einem Satz sprang sie in das Schwimmbecken, kraulte rasch zwei, drei Längen und tauchte lachend wieder auf. »Komm rein«, lockte sie ihn, »es ist herrlich erfrischend.«
    Bougainvilleablüten trieben auf der Wasseroberfläche, kleine rosa Galeeren, die sich in der sanften Brise drehten. Im Hintergrund schnurrte der Rasenmäher, der würzige Duft frisch geschnittenen Grases mischte sich mit der klaren, vom kürzlichen Regen gereinigten Luft. »Sag Jimmy, dass er den Swimmingpool noch säubern muss«, rief sie Jan nach.
    Augusta erschien mit einem Tablett. »Madam fertig?« »Ja.« Sie stieg tropfend aus dem Pool, strich sich das Wasser aus den Haaren. »Bitte putze heute alle Silbersachen.« »Yebo, Ma'm.«

    lan ließ die Zeitung sinken, wartete, bis Augusta außer Hörweite war. »Machst du dir gelegentlich eigentlich klar, welches Leben wir leben?«, fragte er nachdenklich. »Jimmy mäht den Rasen, zupft Unkraut, reinigt den Pool, Augusta räumt uns allen ständig hinterher,
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    wienert jede Oberfläche im Haus auf Hochglanz. Wir spielen Tennis, fahren mit unserem klimatisierten Auto in die Wildreservate oder liegen ...«, er machte eine die Terrasse umfassende Handbewegung, »... unter Palmen und Bougainvilleas am Swimmingpool.« Er hob die Hand, als sie eine Antwort geben wollte. »Wir nehmen doch gar nicht mehr wahr, wie weiß unsere südafrikanische Welt geworden ist. Wenn man in Umhlanga an einem Samstagmorgen alle Hautfarben zusammenmischt, würde nicht einmal die Farbe eines Milchkaffees herausgekommen, allenfalls ein sehr helles Sahnekara-mell. Unsere weißen Freunde leben vor Europas kulturellem Hintergrund, unsere Häuser sind mit amerikanischem Komfort ausgestattet, wir fahren Luxusautos.« Er blickte hinüber zu Jimmy, dem Gärtner, einem Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, der in seinen kurzen königsblauen Hosen, über die ein lose fallendes gleichfarbiges Hemd hing, auf einer Leiter stand und den orangefarbenen Hibiskus beschnitt. Er trug keine Schuhe.
    Sie folgte seinem Blick flüchtig. Unmutig, von ihm in die Verteidigung gedrängt worden zu sein, antwortete sie schärfer als beabsichtigt. »Wir bezahlen ihre Arztrechnungen und für ihre Kinder das Schulgeld und die Schuluniformen. Ich habe ein Konto für sie eingerichtet, das Geld ist festgelegt, bis sie mit der Schule fertig sind. Und wie häufig habe ich Augusta vor ihrem versoffenen Mann bewahrt, wenn der sie mal wieder verprügeln wollte!«
    »Ja, ich weiß, ich weiß! Wir zanken uns für sie mit sturen Behördenangestellten herum, machen uns mehr als unbeliebt dort, und sie haben zwei volle Tage frei. Sogar Zulu sprechen wir mittlerweile einigermaßen.
    Außerdem zahlen wir gut.« Sein Ton war herausfordernd.
    »Sehr gut sogar«, sie fiel ihm erregt ins Wort, »so gut, dass die beiden nicht darüber reden dürfen, weil es sonst unter unseren Nachbarn eine Menge böses Blut geben würde.«
    Sie sahen sich an. Sie zuckte hilflos mit den Schultern. »Was sollen wir machen? Dem ANC beitreten?« Sie stand am Tisch, schob ein paar übrig gebliebene Krümel herum. »Uns wieder mit BOSS anle-90
    gen, wie damals in den sechziger Jahren? Angst haben, dass man uns auf Schritt und Tritt beobachtet, das Telefon abhört?« Die Krümel türmten sich zu einem kleinen Berg. Sie starrte ihren Mann an, voller Trauer, Wut und Schmerz. »Zu wissen, dass unsere Briefe geöffnet werden? Kein Wort sagen können, ohne zu fürchten, dass sie mithören? Das ertrage ich nicht noch einmal.« Sie schwieg, kämpfte die Bilder nieder, die plötzlich vor ihren Augen standen. »Wir sind verwundbarer geworden, die Kinder sind älter, sie gehen in die Schule. Wir können sie nicht jede Minute beschützen. Genügt es nicht, was wir tun?«
    Er sprang auf, hechtete in den Swimmingpool, dass die treibenden Bougainvilleablüten tief unter die Oberfläche gewirbelt wurden, kraulte mit langen Zügen mehrmals hin und her, wühlte das Wasser auf, dass es meterweit spritzte. Sie sah ihm zu, ahnte nur zu gut, was in ihm vorging. Und hoffte inständig, dass er nicht auftauchen und sagen würde, ich pack das hier nicht

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