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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Choreografie. Aber das Schlimmste war, erinnerte sie sich jetzt, das Abschiednehmenmüssen, für immer, und außer Tita und Neil durfte das keiner merken.
    Es war wirklich nicht verwunderlich, dass mir dabei dieser Fehler mit den Schuluniformen unterlief, dachte sie, während Julia auf ihre Antwort wartete.
    Glücklicherweise waren die Zwillinge, wie alle Kinder, begnadete Schauspieler gewesen, und Miss Curtis hatte ihnen das Pfeiffersche Drüsenfieber abgenommen.
    Julias ungeduldiges Räuspern am Telefon holte sie zurück. »Nun, wie ist es, Mami, erinnerst du dich? Oder hast du das auch verdrängt?« Wie Jan konnte Julia nicht verbergen, dass sie wirklich besorgt war. Das erklärte auch ihren aggressiven Ton.
    »Ach julia, das Ganze war doch eigentlich eine Art sportlicher Wettbewerb.«
    »Dafür warst du aber ganz schön nervös, liebe Mutter. Außerdem, hast du einmal zusammengezählt, gegen wie viele Gesetze ihr damals verstoßen habt?«
    Julia konnte wirklich sehr enervierend sein! Ungehalten legte sie auf. Diesen wunderbaren Tag sollte keiner verderben! Aber die beiden ließen nicht locker.
    Spätabends klingelte das Telefon noch einmal. »Da war doch was mit Imbali 1976!« Jans Stimme klang vorwurfsvoll, ungeduldig und besorgt. »Glaubst du ernsthaft, die haben das vergessen?«
    Richtig, da war etwas gewesen mit Imbali, Tochter von Sarah, ihrer schwarzen Schwester, und Vilikazi. Von dieser Sache mit Imbali hörten Cargills erst, als Vilikazi eines späten Abends im August 1976 bei ihnen auftauchte. Überrascht waren sie aufgesprungen, als er durch die Terrassentür schlüpfte, denn seit der Sache mit den Propagandablättern, nach denen die Agenten von BOSS die Fabrik durchwühlt hatten, war er untergetaucht und mit ihm seine acht Freunde, und sie hatten ihn nicht mehr gesehen. Sie erinnerte sich an den Tag der Durchsuchung noch ganz genau. Es
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    war Anfang Februar 1975, und in der Nacht zuvor tobte ein Gewitter über Natal, das Ahnungen von der Apokalypse heraufbeschwor. Blitz6 zuckten über den schwarzen Himmel, sprangen von Wolke zu \Volke, zischten unter ohrenbetäubendem Krachen herunter, dass selbst lan unbehaglich wurde. Beide standen sie auf und zogen sich an. Auch die Kinder waren aufgewacht. Niemand konnte bei diesem Inferno schlafen. Zusammen zogen sie sich in die Küche zurück, die zum Hang hin lag und dadurch nicht gefährdet war. Sie hatten großes Glück. Der Sturm riss einen meterlangen Ast von dem Flamboyant ab, drehte ihn und rammte ihn mit aller Macht in das Fenster von Jans Zimmer und überschüttete sein Bett mit messerscharfen Splittern. Auch in der Fabrik war einiger Schaden entstanden. Deshalb kam lan etwas später als gewöhnlich nach Hause. Die Kinder schliefen schon. So aßen sie allein auf ihrer windgeschützten Schlafzimmerterrasse. Auf der großen Terrasse am Swimmingpool stürmte es noch heftig.
    Erst nach dem Essen fiel ihr auf, wie wortkarg lan bei Tisch gewesen war. Er schien mit seinen Gedanken meilenweit entfernt zu sein. »Ist etwas, Liebling?«, fragte sie, als sie noch einen Wein tranken. »Heute ist etwas Eigenartiges passiert«, begann er und ließ nachdenklich die bernsteinfarbene Flüssigkeit im Glas kreisen, »wir bekamen eine Ladung Material aus Holland, und als wir die Kisten öffneten, flatterten Hunderte von Antiapartheids-Propagandablättern heraus. Im Nu verschwanden sie in den Händen meiner Arbeiter, aber Mrs. Snell erfuhr davon - von wem weiß ich übrigens nicht -und rief die Staatssicherheit an. Mit vier Mann hoch erschienen sie kurz darauf und durchkämmten die Fabrik. Der, der offensichtlich der Ranghöchste war - sie trugen Zivil -, sah mich nur kurz an, so als hätte er erwartet, mich dort zutreffen. Oh, hallo, lan, wie geht's? grüßte er, und ich war wie vor den Kopf geschlagen.« »Einer von BOSS?«, fragte sie ungläubig. »Kanntest du ihn?« kr sah sie an, lange und sehr ernst. »Ich habe den Mann nie gesehen, ^d ich möchte wissen, woher er mich kennt und warum er nicht überrascht wirkte, mich dort vorzufinden.«
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    Sie japste nach Luft. Ihre Kopfhaut prickelte, als hätte sie eine eiskalte Dusche bekommen. »Und?«, krächzte sie, ihre Kehle war plötzlich rau.
    Er schüttelte den Kopf. »Nichts, gar nichts. Sie nahmen die Flugblätter mit, die im Übrigen plötzlich fast alle zerknüllt auf dem Boden lagen, keiner meiner Leute trug eins bei sich, dann grüßten sie mich noch einmal und verschwanden.«
    »Welchen Rang hatten sie, ich

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