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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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schwer. Von tief drinnen, als wären sie dort verschlossen gewesen wie Lava unter der Erdkruste, brachen ihre Gefühle durch, explodierten in einem ungezügelten Ausbruch. Lachend und weinend zugleich hing sie an seinem Hals.
    »Hast du wirklich geglaubt, du könntest vor mir geheim halten, wie unglücklich du bist, dass du vor Heimweh ganz krank bist?«, fragte er weich, und sie wurde steif in seinen Armen, denn, ja, genau das hatte sie geglaubt. »Ich bin zwar zu blöd, einen Videorecorder zu programmieren«, fuhr er fort und grinste, denn das war ein ständiger Scherz zwischen ihnen, »aber eine Kassette einlegen und auf den Start-Knopf drücken, das kriege sogar ich fertig.« Seine violettblauen Augen, die geradewegs in sie hineinblickten, schwebten Zentimeter über ihr, die dichten Haare, mittlerweile weiß, fielen ihm in die Stirn.
    »Du weißt von meinen Südafrika-Bändern?«
    Er nickte.

    »Oh.« Sie küsste ihn. Ihr fiel nichts Besseres ein.
    145
    Sie riefen Jan und Julia an. »Ihr habt ja einen Knall«, brachte es Jan in seiner präzisen Art auf den Punkt, »das kann unmöglich euer Ernst sein.« Er fühlte sich für seine Eltern verantwortlich und war meist ziemlich streng mit ihnen. Diese rüde Formulierung allerdings verriet den Grad seiner Besorgnis.
    »Es ist elf Jahre her, kein Mensch wird sich für uns interessieren, außerdem war da ja eigentlich gar nichts«, verteidigte sie sich etwas lahm, »wir sind freiwillig gegangen.«
    »Leidest du an Gedächtnisschwund, du bist doch noch nicht senil!«, bemerkte Julia im gleichen Ton wie ihr Bruder, »warum sind wir denn 1978 nicht offiziell ausgewandert, sondern angeblich nur auf Urlaub gegangen? Erinnerst du dich nicht mehr, welche Vorstellung wir damals in der Bank geben mussten, als du das Geld abheben wolltest, und was du zu uns gesagt hast?«
    Sie musste lächeln. Oh, doch, daran erinnerte sie sich genau! »Setzt euch hin und seht krank aus«, hatte sie gesagt, denn Miss Curtis, die Dame am Schalter, musterte ihre Kinder, die an einem Werktagvormittag ohne Schuluniform mit ihr in der Bank standen, mit gerunzelter Stirn. »Warum sind denn die Zwillinge nicht in der Schule?«, fragte sie streng. Sie trug einen kurzen dunklen Bubikopf und dicke Horngläser und stellte diesen unangenehmen Typ einer offiziellen Person dar.
    »Sie sind krank«, reagierte sie geistesgegenwärtig, »Pfeiffersches Drüsenfieber.« Pfeiffersches Drüsenfieber ging gerade um. »Setzt euch hin und seht krank aus«, zischte sie den Kindern auf Deutsch zu.
    »Warum?« fragte Jan und fing einen Tritt an den Knöchel von seiner Schwester ein, die bereits überzeugend ermattet auf einen Stuhl gesunken war.
    Nervös beobachtete sie Miss Curtis. Die Formalitäten ihrer Abreise waren minuziös geplant. Offiziell gingen sie auf Urlaub, und wenigstens den Geldbetrag, den man dann für persönliche Zwecke ausführen durfte, wollten sie mitnehmen. Dieser Betrag musste im Pass eingetragen werden. Das konnte jedoch nicht geschehen, ohne dass sie
    ein Wiedereinreisevisum im Pass hatten, und das bekamen sie nur mit einem Rückreiseticket und einer gültigen, amtlich bestätigten Pockenimpfung.
    Ihren Freunden erzählten sie, dass sie nach Deutschland fliegen und 'hre Eltern besuchen wollten, da Mama schwer erkrankt war. Das summte sogar, doch sie war bereits auf dem Weg der Besserung. Nach ihrer Rückkunft, so erzählten sie vorsorglich herum, wollten sie ihr Haus vermieten und in eins der großen Luxusapartments am Strand ziehen. Bis dahin würden sie ihre Möbel auf Lager legen. Das erklärte die riesigen Umzugscontainer vor ihrer Tür. Gelegendich hatte sie Mühe, die Lügen auseinander zu halten, aber jeder glaubte es, und nur Tita und Neu wussten die Wahrheit. Sie war gut im Lügen geworden, das hatte sie gelernt, damals 1968, unter sehr harten Umständen.
    Sie setzten eine Anzeige in die »Sunday Times«, Rubrik »Vermietungen«, und ein Mr. Norman meldete sich, ein konservativ gekleideter Geschäftsmann in den Vierzigern, der ihnen gefiel. »Ich gedenke, in kürzester Zeit zu heiraten.
    Dieses Haus ist perfekt für eine junge Familie«, erklärte er und lächelte charmant. Seine zukünftige Frau jedoch trafen sie nicht.
    »Ich werd ihm eine meiner Cousinen als Hausmädchen schicken«, entschied Sarah misstrauisch, »dann wissen wir immer, was da so läuft. Man weiß ja nie!«
    Henrietta fand diese Idee ausgezeichnet, und so geschah es. Mr. Norman schwatzte ihr einen zehnjährigen

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