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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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aufgeräumt, und ein Blick in den Schrank zeigte ihm, daß er so leer war wie der im Kinderlied von Mother Hubbard. Doch es ist Kriminalbeamten in Yorkshire nicht gestattet, aufzuwachen und festzustellen, daß alles nur ein Traum war. Er rannte nach unten und rief Gilchrist.
    Der Butler erschien. Er strahlte Mißbilligung aus.
    »Westropps Kleidung, was ist damit geschehen?«
    »
Mister
Westropp wird begreiflicherweise nicht hierher zurückkehren«, sagte Gilchrist eisig. »Man hat uns gebeten, seine Sachen einzupacken und sie in seine Londoner Wohnung zu schicken.«
    »Sie können doch nicht schon weg sein?«
    »Mit Sicherheit nicht, Sir«, erwiderte Gilchrist so entrüstet, daß ihm die Höflichkeitsfloskel herausrutschte. »Wir würden doch seine Kleidung nicht ungewaschen schicken.«
    »Sie wollen sagen, Sie machen das
jetzt?
Sie machen das
hier?
«
    Gilchrist dachte offenbar, Dalziel sei so bestürzt, weil es ihn schockierte, daß ein Butler sein hohes Amt so mit Füßen trat.
    »Unter normalen Umständen würden es die Hausmädchen machen«, sagte er sich verteidigend, »aber sie sind beide … unpäßlich. Im übrigen sind Mrs. Gilchrist und ich froh, wenn wir in diesen tragischen Zeiten beschäftigt sind. Und selbst wenn das Lob aus meinem Munde kommt, so kenne ich doch niemanden, der besser als Mrs. Gilchrist das Hemd eines Gentleman zu stärken versteht, und ich bin noch immer in der Lage, einen Anzug mit dem Schwamm abzutupfen und zu bügeln, daß er wie neu aussieht.«
    Er fragte sich, warum er einem Polizisten solche Intimitäten preisgab.
    »Stimmt etwas nicht mit den Kleidern?«
    Dalziel dachte nach.
    Er dachte an die braunen Flecken auf den Manschetten, die auch von Bratensoße herrühren konnten, und an den Schlüssel in Westropps Tasche, der sein Hausschlüssel sein konnte. Er dachte an das Geständnis der Kohler und Wallys felsenfeste Überzeugung, daß Mickledore der Mann war, den er suchte. Er dachte an die Schlagzeilen, an die Fernsehaufnahmen und Goldjungen. Er dachte an das englische Schwurgerichtssystem mit seiner eingebauten Absicherung und an den geheimnisvollen Sempernel, der wie ein Gespenst aufgetaucht war und sehr wenig gesagt hatte, bevor er sich wieder in das Nichts auflöste, aus dem er anscheinend gekommen war.
    Er dachte an die Party, die gerade im Schwarzen Bullen anfing.
    Er sagte: »Alles in Ordnung.«
    Und es war auch alles in Ordnung gewesen. Damals. Und heute. Nur die Anordnung der Fakten war ein wenig umgestellt worden.
    Hatte Mickledore Westropp betäubt? Vielleicht hatte er eine Kleinigkeit in seinen Brandy getan, damit sein Freund auch ja gleich schlief, sobald er sich hinlegte, und nicht aufwachte, wenn Mickledore sein Ankleidezimmer betrat, Hemd und Jackett ablegte und Westropps anzog, bevor er zu seinem Rendezvous in der Waffenkammer ging. Er trat ein, als die Stalluhr sich anschickte, mit gewohnter Lautstärke Mitternacht zu schlagen. Pamela saß in der Waffenkammer, finster, verärgert, unsicher, wie ihre Begegnung ablaufen würde, unsicher, was ihr Liebhaber vorhatte, als er mit geübter Hand die Patronen in die Schrotflinte schob. Dann ertönte der erste Schlag. Sein Finger auf dem Abzug. Den zweiten Schuß hat sie wahrscheinlich nicht mehr gehört. Nun den Draht um den Schraubstock, die Waffe mit Westropps Taschentuch gewischt, Pams Hand um den Lauf gelegt, den Zettel, den er aus der Nachricht herausgerissen hatte, mit dem sie ihn zu dem tödlichen Treffen beordert hatte, auf den Tisch gelegt. Und als die Uhr zwölf schlug, trat er aus der Tür.
    Und stieß mit Cissy Kohler zusammen.
    Man muß einen Mann bewundern, der im Stehen denken kann, und Mickledore bewies nun, daß er genau das konnte.
    Sein erster Gedanke muß gewesen sein, zu sagen, er habe Pam gerade gefunden, und sie habe sich umgebracht. Aber er konnte es sich noch nicht leisten, daß alle geweckt wurden. Die anderen, die weniger überreizt als Cissy Kohler waren, würden sich fragen, warum er eine Smokingjacke und ein Frackhemd trug, die beide eindeutig viel zu klein für ihn waren. Er mußte in Westropps Ankleidezimmer zurück, um sich umzuziehen. Die Kleidung seines Freundes stellte sowohl ein Schutz als auch eine Absicherung dar. Er hatte nicht vorgehabt, Westropp die Sache anzuhängen, außer wenn es unbedingt nötig sein sollte. Doch nun stellte sich seine Rückversicherung als perfekt heraus, um sich Kohlers Schweigen zu sichern, während er sein Wissen um ihre Liebe zu Westropp dazu

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