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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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zurückgezogen, bis sein phantasiebegabtes Gehirn eine noch erstaunlichere Story liefern würde, die er den Raubtieren, die ihm auf den Fersen waren, zum Fraß würde vorwerfen können.
    Cissy wartete, bis das letzte schwarze Auto davongekrochen war, und näherte sich dann dem Grab.
    Sie war gekommen, nicht weil sie etwas empfand, sondern weil sie sich eine Empfindung erhoffte. Einen Augenblick lang hatte sie in ihrer Tasche herumgekramt, bevor Dalziel sie aus dem Zimmer geschoben hatte, in dem sie den befreienden Höhepunkt hätte finden können, aber selbst jetzt war sie sich nicht sicher, ob sie die Pistole oder das Taschentuch herausgezogen hätte.
    Der Sarg war unter den Händen voll Erde, die auf ihn geworfen worden waren, noch immer sichtbar. Er war aus schlichter Eiche und hatte matte Griffe. Sie nickte zustimmend. Jamie war nie ostentativ gewesen, er würde sich nicht mehr gewünscht haben.
    Aus dem Nicken wurde jäh ein wildes Kopfschütteln, als sie die selbstgefällige Annahme loswerden wollte. Was zum Teufel wußte sie denn darüber, was er mochte und was er nicht mochte? Was wußte sie überhaupt?! Sie hatte ihn mit der totalen Leidenschaft der ersten Liebe geliebt. Sie hatte sich rückhaltlos und ohne zu fragen hingegeben, und weil er ihre Gabe mit solchem Entzücken angenommen hatte, war sie davon ausgegangen, daß er sie so liebte wie sie ihn.
    Aber es war nicht alles nur naive Selbsttäuschung gewesen. Als sie Mickledore in die Arme gelaufen war, als er aus der Waffenkammer kam und sie hinter ihm den blutenden Körper und den starren Blick ihrer Rivalin gesehen hatte, war es nicht nur der überzogene Egoismus der Liebe gewesen, der sie ohne Zögern seine Behauptung hatte glauben lassen. »Cissy, es ist schrecklich … Jamie hat Pam umgebracht … Er hat es für dich getan!«
    Sie hatte gewußt, daß es stimmte, denn genau das hatten sie und Jamie geplant.
    Nein. Nicht
geplant
. Das war ein zu präzises Wort, zu kalt, wenn sie an die Worte dachte, die zwischen ihnen gefallen waren. In den köstlich warmen Untiefen, die die abziehende Flut der Ekstase zurückläßt, hatte sie geflüstert: »Wenn ich jetzt sterben würde, wäre ich wahrhaft glücklich.« Er hatte gelacht und gesagt: »Nicht der eigene Tod bringt das wahre Glück, Cissy. Man muß die Kraft haben, den Tod anderer zu wollen, wenn sie einem im Weg stehen.«
    »Ob ich diese Kraft hätte, weiß ich nicht.«
    »Die haben nur wenige. Und wiederum nur wenige davon sind willens, sie zu nutzen.«
    »Gehörst du zu den wenigen, Jamie?« hatte sie gefragt, da sie eine Bedeutung spürte, ein Versprechen.
    »Aber ja doch«, hatte er gesagt und sie wieder zu sich gezogen und liebkost, daß sie die ferne Flut zurückwallen spürte. »Meine Kraft reicht für uns beide.«
    Er hatte von Pam gesprochen – wovon denn sonst? Und von jenem Augenblick an begleitete sie die Gewißheit, daß dieses einzige Hindernis auf dem Weg zu ihrem ewigem Glück beseitigt werden würde.
    Nun war es passiert. Die blutige Wirklichkeit der Beseitigung überwältigte sie fast, aber ihre Kräfte kamen wieder, als Mickledore die Gefahr beschwor, in der James schwebte, und ihr sagte, daß er versucht habe, es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen. Wenn ein Mann aus bloßer Freundschaft so edel handeln konnte, wie viel mehr müßte Liebe vollbringen können?
    Sie wollte mit Mickledore zu Jamie gehen, aber der sagte, das sei Wahnsinn. Der geringste Hinweis, daß zwischen ihnen eine engere Beziehung als Arbeitgeber und Angestellte bestehe, würde fatale Folgen haben. Sie war zu ihrem Zimmer zurückgekehrt und hatte die Verhöre mit der Stärke ertragen, die ihr die Liebe verlieh. Aber am Montag, nach einer weiteren schlaflosen Nacht, wußte sie, daß sie die Polizei nicht noch einmal würde ertragen können. Sie war mit den Kindern zur Insel hinausgerudert und hatte sich unter den schattigen Weiden versteckt, bis ihr Name wie ein Kanonenschuß über das glänzende Wasser donnerte und sie wußte, daß man sie zum Verrat an ihrem Geliebten rief.
    Nach Emilys Tod war alles anders. Nun wußte sie, daß es nichts gab, was sie nicht tun würde, um Jamie zu schützen, und gleichzeitig wußte sie, daß ihrer keine Belohnung harrte. Es hatte eines ganzen Nachmittags bedurft, um herauszufinden, was der Kripochef von ihr hören wollte. Jedes Geständnis, das sie ablegte, schrieb er fein säuberlich auf, dann las er es ihr vor und fragte, ob es die Wahrheit sei. Immer wenn sie es

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