Insel aus Stein: Mittsommerglück (German Edition)
und an diesen unseligen Kuss, zu dem es niemals hätte kommen dürfen.
Seufzend vertäute er die Skägård am Bootssteg und machte sich dann auf den Weg zum Haus. Vielleicht war es das Beste, wenn er sie fortschickte. Die Frage war bloß, ob sie überhaupt auf ihn hören würde. Die Art und Weise, wie sie sich ihm gegenüber bislang verhalten hatte, ließ darauf schließen, dass es für sie überaus wichtig war, eine Erfolgsmeldung mit nach Hause zu bringen. Auch wenn er den Grund hierfür nicht kannte, hatte Dale doch das Gefühl, dass sie sich so einfach nicht von ihm vertreiben lassen würde.
Aber wie sollte er jetzt noch mit ihr zusammenarbeiten? Von Anfang an hatte er geahnt, dass Cassies Anwesenheit auf der Insel noch zu Komplikationen führen könnte. Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass er sich jemals derart stark zu der jungen Lektorin hingezogen fühlen könnte.
Ihm schauderte bei dem Gedanken daran, welch berauschende Gefühle dieser kurze Kuss in ihm ausgelöst hatte. Was mochte erst passieren, wenn sie sich noch näher kamen? Energisch schüttelte er den Kopf. Nein, das durfte niemals geschehen. In der vergangenen Nacht hatte er kaum ein Auge zubekommen, so sehr hatte ihn das schlechte Gewissen gequält. Allein indem er Cassie nicht entschieden zurückgewiesen hatte, hatte er bereits Annikas Andenken beschmutzt. Noch schlimmer machte es, dass er ihren vom vielen Champagner ausgelösten Annäherungsversuch auch noch genossen hatte.
Es half nichts, er musste diese Frau irgendwie loswerden. Er schämte sich dafür, doch die Versuchung war einfach zu groß. Wenn sie noch länger bei ihm auf Svergå blieb, würde er ihr früher oder später erliegen.
Als er leise die Haustür hinter sich zuzog, hörte er, wie Malin in der Küche mit den Kochtöpfen hantierte. Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. Wenn es ums Kochen ging, konnte eine Herde Elefanten durchs Haus ziehen, ohne dass die mütterliche Schwedin etwas davon mitbekommen würde. Auch jetzt schien sie seine Rückkehr nicht bemerkt zu haben. Er war nicht unglücklich darüber. Im Moment stand ihm der Sinn nicht nach Gesellschaft, auch wenn Malin sich selbstverständlich seine Sorgen angehört hätte. Längst war sie schon nicht mehr nur seine Haushaltshilfe und Köchin. Dale vertraute ihr tausendprozentig, sie war eine Seele von Mensch, die stets für alles und jeden Verständnis aufbrachte.
Vorsichtig schlich er die Stufen ins Obergeschoss hinauf, wobei er sorgsam vermied, die knarrende Stufe zu belasten, die er schon seit einer halben Ewigkeit repariert haben wollte. Dann öffnete er lautlos die Tür zu seinem Arbeitszimmer – und erstarrte.
An seinem Schreibtisch saß
die Spionin
und schnüffelte in seinem Manuskript herum. Nackte Panik und gerechte Empörung wetteiferten miteinander um den ersten Rang im Gefühlschaos, das dieser Anblick in ihm auslöste. Der schlimmste aller möglichen Katastrophenfälle war eingetreten.
Fassungslos stand er da. Was bildete diese Frau sich ein, einfach so in seinen Unterlagen herumzuwühlen? Und wie war sie überhaupt hier hereingekommen? Er hatte doch nicht etwa vergessen, den Schlüssel …? Automatisch tastete er nach dem Schlüssel, den er immer in seiner Hosentasche mit sich herumtrug – und dort befand er sich auch jetzt. Doch wie auch immer sie es geschafft haben mochte, sie hatte schlicht und einfach nicht das Recht, ungefragt in sein Arbeitszimmer einzudringen!
Wütend verschränkte Dale die Arme vor der Brust. Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn, und seine Stimme klirrte wie Eis, als er sagte: “Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier tun, Miss Dorkins?”
Voller Entsetzen blickte Cassie auf. Für den Bruchteil einer Sekunde schien ihr Herz einfach stehen bleiben zu wollen, dann hämmerte es mit der Heftigkeit eines Trommelwirbels weiter. Oh mein Gott, Dale!
“Ich … also, ich …” Die Schamesröte schoss ihr ins Gesicht. Am liebsten wäre sie auf der Stelle im Boden versunken. “Ich kann es erklären”, murmelte sie kleinlaut.
“Auf die Erklärung bin ich schon sehr gespannt”, entgegnete Dale sarkastisch. “Also, wie zum Teufel kommen Sie dazu, einfach so in meine Privaträume einzudringen? Sie haben wohl vergessen, dass Sie mein Gast sind!”
Cassies Lippen zitterten vor Aufregung. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Wie hatte sie bloß auf diese unsäglich dämliche Idee kommen können? Lieber Himmel, sie war doch keine professionelle
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