Insel, aus Traeumen geboren
uns eine kleine Fahrt machen“, sagte er und ließ einen Schlüssel von seinem Finger herunterbaumeln. „Mit dem Motorboot“, erklärte er, als sie ihn verwirrt anschaute. „Robbins möchte, dass ich es ausprobiere. Bis sie den Tunnel freigeschaufelt und die Stützbalken ersetzt haben, kann ich sowieso nicht weiterarbeiten. Nun komm schon. Du siehst ganz blass aus.“
Als sie sich nicht bewegte, legte er ihr die Hände auf die Schultern und blickte ihr eindringlich in die Augen. „Ich weiß, du denkst an das Grab. Wir können heute noch nicht wieder dort hinuntergehen, auch morgen nicht. Genießen wir also den freien Nachmittag. Ich denke, den haben wir uns auch verdient. Meinst du nicht auch?“
Olivia nickte stumm. Sie konnte im Moment weder denken noch etwas sagen. Sie brauchte jemanden, der für sie die Entscheidungen traf. Sie brauchte Jack.
„Du siehst aus, als ob du ein wenig Sonne vertragen könntest“, sagte er und strich ihr mit dem Daumen über die Wange. „Und frische Luft. Geh und hol deinen Badeanzug. Oh richtig, du hast ja keinen dabei. Vergiss nicht, dir einen zu besorgen, wenn du wieder in den Ort kommst. Du wirst ihn brauchen, wenn wir unsere Flitterwochen nachholen.“
Olivia besaß nicht die Kraft, um sich auf eine Diskussion mit ihm einzulassen und ihm zu sagen, dass es diese Flitterwochen nie geben würde. Im Moment hatte sie tatsächlich eine Pause nötig. Die Arbeit ging ihr ohnehin nicht von der Hand. Sie eilte zu ihrem Zelt und schlüpfte in Shorts und ein enges weißes Oberteil.
Als sie wenig später am Anleger erschien, hatte Jack den Motor bereits angeworfen. Er streckte seine Hand aus und half Olivia ins Boot.
„Tolles Top“, sagte er und ließ den Blick über ihre Brüste gleiten.
Olivia wünschte, etwas anderes angezogen zu haben. Sie spürte, wie ihre empfindlich gewordenen Brustspitzen hart wurden und sich unter dem Stoff abzeichneten.
Schnell setzte sie sich neben Jack auf die lederbezogene Sitzbank hinter dem Steuerrad. Unbarmherzig brannte die Sonne auf ihre Schultern herab. Jack bediente einen Hebel, und schon schossen sie unter einem Sprühregen von Salzwasser aufs Meer hinaus. Olivia lachte, als ihre Beine nass wurden. Vielleicht würde sie sich doch ein wenig entspannen können.
Jack lächelte sie an. „Keine Chance heute, seekrank zu werden“, meinte er. „Das Meer ist glatt wie ein Spiegel, und nirgends sind Wolken zu sehen.“
Obwohl es stimmte, verspürte Olivia ein flaues Gefühl im Magen. War es die Aufregung?
„Wohin fahren wir?“, wollte sie wissen.
„Dort drüben liegt Kastemos. Stavros hat mir von dieser Insel erzählt. Ich dachte, wir könnten sie uns mal ansehen. Einverstanden?“
Olivia nickte. Im Grunde war es ihr gleichgültig, wohin sie fuhren und was sie taten. Irgendetwas war mit ihr geschehen. Vielleicht lag es daran, dass sie dem Tod gestern so nahe gewesen waren. Oder es lag an ihrem veränderten Verhältnis zu Jack. Sooft sie sich auch sagte, dass sich nichts geändert hätte – die Dinge waren nicht mehr wie zuvor.
„Irgendwie ist heute alles anders“, sagte sie. „Ich konnte mich auch nicht auf meine Arbeit konzentrieren. Vielleicht sind es nur die Nachwirkungen von gestern Nacht. Geht es dir ebenso?“
„Ich fühle mich großartig.“ Jack legte ihr den Arm um die Schultern. „Du hast doch nicht etwa deine Meinung geändert?“ Er wandte ihr das Gesicht zu, und im nächsten Moment spürte sie schon seine Lippen auf ihrem Mund.
„Wir sind wieder zusammen, erinnerst du dich?“
„Bist du dir da sicher?“
„Absolut. Ich habe dem Archäologischen Institut heute Morgen bereits eine E-Mail geschickt.“
In ihrem Magen begannen Schmetterlinge zu flattern. „Jetzt schon? Du willst tatsächlich weg?“ Ihr ging das alles viel zu schnell. Sie fühlte sich ganz benommen.
„Ja. Ich komme wieder zu dir zurück. Wir werden ein neues Haus kaufen und einen neuen Anfang machen.“
Bevor Olivia einwenden konnte, dass sie nichts überstürzen sollten, hatten sie schon die Insel umrundet und den winzigen Hafen entdeckt. Einige Minuten später legten sie in Kissani an. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, atmete Olivia erleichtert auf. Sie würde es Jack gegenüber nie zugeben, doch sie hatte trotz des ruhigen Wassers Anzeichen von Seekrankheit gehabt. Ihr Magen war noch empfindlicher als zuvor. Doch sie wollte nicht, dass er sie deswegen wieder aufzog.
Jack holte einen Reiseführer hervor, in dem unter
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