Insel, aus Traeumen geboren
hielt sich auch eher in Grenzen, wenn sie den engen Tunnel und die niedrige Decke nicht direkt vor Augen hatte.
„Was immer auch mit uns passieren wird, ich bin trotzdem froh, dass ich nach Hermapolis gekommen bin“, sagte sie.
„Wirklich?“ Jack schüttelte ihr den Sand aus dem Haar.
„Auch über die Nacht im Hotel“, fügte sie hinzu.
„Aber zuvor warst du sauer auf mich.“
„Eher auf mich, weil ich schwach geworden war. Ich hatte mir fest vorgenommen, Abstand zu dir zu halten.“
„Das habe ich gemerkt.“
„Ich wusste, dass das Ende des Sommers für unsere Beziehung den Schlussstrich bedeuten würde, denn du würdest dann die Scheidungspapiere unterschreiben. Ebenso war mir klar, dass es umso schmerzlicher sein würde, wenn wir auch nur eine Nacht miteinander verbringen würden. Doch es ist passiert, was ein großer Fehler war.“
„Denkst du das auch jetzt noch?“
„Ich weiß es nicht, Jack. Ich weiß es wirklich nicht. Ich kann nichts dagegen tun, dass ich dich immer noch liebe.“
„Du brauchst überhaupt nichts zu tun, Olivia. Überlasse es mir, die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Sag mir nur, dass du diese Nacht nicht bereust.“
Olivia schluckte. Nie würde sie vergessen, was sie in seinen Armen empfunden hatte. Endlich hatte sie sich wieder als normaler Mensch gefühlt.
„Wer hat eigentlich einmal gesagt, man bereut nie die Dinge, die man tut, sondern nur jene, die man nicht tut?“ Olivia hakte ihn unter. Es tat gut, seine Kraft zu spüren, und sie wünschte, ihm etwas von dieser Stärke zurückgeben zu können.
„Was war das?“, fragte Jack plötzlich. „Hast du es auch gehört?“
„Nein, nichts.“ Fing Jack schon an, Halluzinationen zu haben? Olivia bekam es noch mehr mit der Angst zu tun.
„Schscht, sei mal still!“ Da war es wieder. Die Stimme war nur ganz schwach zu hören. Jacks Herz begann plötzlich zu rasen. Es war Stavros.
Jetzt war die Stimme deutlicher zu hören. „Boss, du dort unten?“
Vor Erleichterung schossen Olivia Tränen in die Augen.
„Es ist Stavros“, sagte Jack und küsste sie auf die Wange. „Ja, wir sind hier!“, schrie er. „Wir sind unverletzt. Wo bist du?“
„Pfosten Nummer zwölf, sechzig Meter entfernt“, rief Stavros. „Tunnel ist durch Schutt blockiert.“
„Gott sei Dank“, sagte Jack zu Olivia. „Wenn er sich sechzig Meter weit im Tunnel befindet, kann die Blockade nicht mehr als zehn Meter betragen.“
Er sagte ihr nichts von seinen schlimmsten Befürchtungen, dass sie es trotzdem nicht schaffen würden. Sie war bis jetzt so tapfer gewesen. Nie hatte er sie mehr geliebt als in diesen schrecklichen Minuten. Wenn sie hier herauskamen, würde er sie niemals mehr allein lassen.
„Pfosten Nummer vierzehn ist eingestürzt!“, schrie er. „Nummer dreizehn können wir nicht sehen.“ Im Geist überschlug er die Zeit, die es dauern würde, um den Tunnel freizuschaufeln. Wenn Stavros jedoch keine Helfer hatte, würde er es allein nicht rechtzeitig schaffen. Dann drohte ihnen der Erstickungstod.
„Bist du allein? Oder ist die Crew bei dir?“
Stavros’ Antwort war nicht zu verstehen, und dann war es still.
„Er ist ein tüchtiger Kerl“, tröstete Jack Olivia. „Er weiß, was zu tun ist.“
Jack konnte Olivia weder sehen noch hören, doch er wusste, dass sie weinte. Er machte ihr deshalb weiter Mut, um sie von ihren schlimmsten Vorstellungen abzulenken.
„Je nachdem, wie groß die Steinbrocken sind, können sie uns in einer Stunde oder zwei herausgeholt haben“, meinte er zuversichtlich.
„Ist das nicht ein großes Risiko?“, fragte sie besorgt. „Beim Wegräumen des Schutts könnten doch weitere Teile des Tunnels einstürzen.“
„Das müssen sie eben riskieren. Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt.“
Sie wussten nicht, wie lange sie gewartet hatten, als plötzlich Geräusche zu hören waren, die immer näher kamen, und dann entdeckten sie den Lichtstrahl einer Taschenlampe über dem Schutthaufen.
„Mr. Jack“, ertönte Stavros’ Stimme plötzlich so laut, dass sie beide zusammenzuckten. „Wir sind da.“
Jack zog Olivia vom Boden hoch. Im schwachen Lichtschein sah er die Tränen auf ihrem Gesicht und zog sie fest in seine Arme. „Wir sind gerettet!“, sagte er.
Olivia schmiegte sich an ihn und barg das Gesicht an seiner Schulter. „Ich wusste, dass wir es schaffen würden“, flüsterte sie mit zittriger Stimme.
Nach einer halben Stunde hatten die Männer auf der anderen Seite eine
Weitere Kostenlose Bücher