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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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mir ausbreiteten wie ein endloses Geschenk. Jene heißen Nachmittage, wenn sich der Strand, von salziger Gischt erfüllt, in einem langen, schimmernden Bogen bis zu den Klippen in der Ferne erstreckte. Jene Morgenstunden, in denen ich auf laubbedeckten, lehmigen Pfaden in den kühlen Talsenken der Gegend nach himmelblauen Beeren suchte und spürte, wie jede einzelne von ihnen in meinem Mund zerplatzte, saftig und süß. Ich eroberte mir die Insel, Meile um Meile, von der weichen, schlickigen Tonerde der regenbogenfarbenen Klippen bis zur rauen Kühle der Granitfelsen, die urplötzlich aus den Feldern aufragen und den Pflug aus seiner Bahn bringen. Ich liebe den Nebel, der uns alle in einen milchigen Schleier hüllt, und die Winde, die bei Nacht in den Schornsteinen ächzen und klagen. Selbst wenn die Strandlinie mit salzigem Eis verkrustet ist und es bei meinen Gängen durch den Wald unter meinen Holzpantinen knirscht, stehe ich gern in dem blauen Schimmer, der auf dem Schnee glitzert, und atme tief die kalte Luft ein. Ich liebe jede Bucht und jeden Felsen auf dieser Insel. Hier lernt man schon früh, die Natur als einen Gegner zu sehen, den man sich untertan machen muss. Ich jedoch huldige ihr und bete sie an. Man könnte sagen, diese Insel und ihre Schätze sind meine ersten falschen Götter geworden, der Sündenfall, der so viel Irrglauben nach sich zog.
    Doch jetzt, in den wenigen Tagen, die mir bis zu Calebs Ankunft bleiben, habe ich beschlossen, meine Seele einem Tagebuch anzuvertrauen und von jenen Monaten zu berichten, in denen mein Herz sich so weit von Gott gelöst hat. Ich habe auch die kleinsten Fetzen Papier gesammelt, die ich aus dem Vorrat meines Bruders ergattern konnte, und beschlossen, jeden Moment zu nutzen, der sich mir bietet, bevor mich die Müdigkeit von den Mühen des Tages übermannt. Meine Handschrift ist unschön, da mein Vater mich nicht im Schreiben unterrichtet hat, doch dieser Bericht ist nur für meine Augen bestimmt, und so macht es keinen Unterschied. Da ich noch nicht sagen kann, ob ich den Mut aufbringen und eines Tages in der Versammlung aufstehen und der ganzen Gemeinde Rechenschaft ablegen werde, muss es vorerst damit genug sein. In meiner Not habe ich mich Gott zugewandt, doch noch habe ich kein Zeichen erhalten, dass er mich erlösen wird. Wenn ich mir meine Hände und Handgelenke anschaue, die voller kleiner Brandnarben von heißen Töpfen oder fliegender Asche sind, führt mir jeder rote Striemen und jedes weiße Pünktchen das Höllenfeuer vor Augen, und die sich windenden Massen der Verdammten, unter denen wohl auch ich bis in alle Ewigkeit darben werde.
    Gott allein bestimmt, wer verdammt und wer erlöst wird, und auch die Tatsache, dass ich diesen Bericht verfasse, kann daran nichts ändern. Doch nun, da Caleb hierherkommen soll, den noch immer der Rauch jener heidnischen Feuer und der Duft jener wilden, von Visionen erfüllten Stunden umgibt, muss ich mit klarem Verstand und aufrichtigen Herzens darlegen, wo ich stehe, denn nur dann werde ich in der Lage sein, jenen Versuchungen zu widerstehen. Ich muss dies ebenso für ihn tun wie für mich. Dass Vater große Stücke auf Caleb hält, weiß ich. Er setzt, mehr als jeder andere hier, große Hoffnung in ihn und glaubt, er könne eines Tages seinem Volk ein Anführer sein. Sicher will Caleb das auch; niemand brütet so eifrig über seinen Büchern, und keiner hätte in den wenigen Monaten, die er zum Studieren hatte, eine so reiche Ernte an Wissen eingefahren wie er. Doch ich weiß auch noch etwas anderes: Calebs Seele ist so straff gespannt wie ein Seil beim Tauziehen, und an den Enden des Taus stehen mein Vater und Calebs Onkel, der pawaaw oder Medizinmann . Und ebenso wie mein Vater seine Hoffnungen hegt, tut dies auch jener Scharlatan. Caleb wird sein Volk lenken, das ist gewiss. Doch in welche Richtung? Bei dieser Frage bin ich mir alles andere als sicher.

II
    Einmal, in einer stürmischen Winternacht vor zwei Jahren, kamen wir zum Haus zurück, nachdem wir uns bei Regen und Wind damit abgemüht hatten, die Boote an Land zu ziehen und sicher zu vertäuen. Eine glänzende Schicht Eis lag auf unseren Mänteln, und unser zu Strähnen gefrorenes Haar knisterte bei jedem Schritt. Unsere Hände waren taub vor Kälte, während wir den rasch angerührten Lehm zwischen die Ritzen und Fugen des Hauses schmierten und notdürftig das Ölpapier flickten, das der Wind von den Fenstern gerissen hatte. (Fensterscheiben hatten wir

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