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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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einzuflößen. Ein Volk, das längst auf der breiten Straße der Verdammnis unterwegs war, zur Umkehr zu bewegen und dazu zu bringen, sein Gesicht dem Antlitz Gottes zuzuwenden … Das ist es, wonach wir streben müssen. In vieler Hinsicht sind sie ein bewundernswertes Volk, wenn man sich nur die Mühe macht, sie kennenzulernen.«
    Wie sehr hätte ich ihn und meinen Bruder damals erstaunen können, hätte ich den Mund geöffnet und es gewagt, auf Wampanaontoaonk zu sagen, ich seies gewesen, die sich bemüht hatte, sie kennenzulernen; und dass ich sie in manchen Einzelheiten besser kannte als Vater, der ihr Missionar und ihr Pfarrer war. Doch wie ich bereits erwähnt habe, hatte ich schon früh den Wert des Schweigens erkannt und war nicht bereit, mein Innerstes preiszugeben. Und so stand ich vom Herdfeuer auf und machte mich daran, mit Hefe und Mehl einen Teig anzusetzen, den ich am nächsten Tag zu Brot backen wollte.
    Unsere Nachbarn. Als Kind hatte ich sie nicht so gesehen. Ich denke, damals nannte ich sie wie alle anderen Wilde, Heiden, Barbaren, Ungläubige. Aber eigentlich dachte ich als Kind überhaupt nicht über sie nach. Damals hing ich zusammen mit meinem Zwillingsbruder Zuriel am Rockzipfel unserer Mutter, und was sie taten, ging uns nichts an. Man sagt, es habe über ein Jahr gedauert, bis sich überhaupt einer von ihnen in die Nähe unserer Pflanzungen wagte. Wenn mein Vater im Dienste meines Großvaters mit ihnen zu tun hatte, so besuchte er die eine oder andere ihrer Siedlungen, die sie otan nennen , ganz allein, und ich erfuhr nichts davon.
    Irgendwann später – wann genau das war, bin ich mir nicht sicher –, nachdem die Gemeinde in Great Harbor ihr Versammlungshaus gebaut hatte, begann einer von ihnen, ein armer Teufel, an den streng von uns eingehaltenen Tagen der Sabbatruhe, die andere Christen den Sonntag heißen, bei uns herumzuschleichen. Von nur geringer Abstammung und wenig angenehmem Äußeren war er unter den Seinen ein Außenseiter, weil er zum Krieger nicht taugte und damit selbst das gemeine Recht verwirkt hatte, mit seinem sonquem zu jagen oder an den Zusammenkünften teilzunehmen, bei denen der Häuptling seine Leute großzügig mit Nahrungsmitteln und anderen Dingen beschenkte.
    Dass mein Vater diesem Mann predigte, wusste ich, dachte aber nur wenig darüber nach. Es schien mir einfach ein Akt christlicher Nächstenliebe zu sein, so wie es in der Heiligen Schrift heißt: Was du dem Geringsten meiner Brüder getan hast … Und doch war es genau dieses nicht sehr vielversprechende Erz, aus dem Vater sein Kreuz zu schmieden begann. Mutter war ziemlich entsetzt gewesen, als Vater diesen Mann, dessen Name Iacoomis lautete, an einem Sabbat als Gast an unserem Tisch begrüßte. Doch der Zufall wollte es, dass die so wenig einnehmende sterbliche Hülle dieses Mannes einen flinken Geist beherbergte. Er lernte begierig das Lesen und begann als Gegenleistung Vater die Sprache der Wampanoag beizubringen, damit dieser mit seiner Missionstätigkeit fortfahren könne. Während sich Vater mit der neuen Sprache schwertat, lernte auch ich sie, so wie eben ein Mädchen, das sein Leben nur am Herd und im Haus führt, manches von den Angelegenheiten der Erwachsenen aufschnappt. Ich lernte diese Sprache vermutlich so leicht, wie ich auch das Englische erlernte, denn mein Verstand war geschmeidig und nur allzu bereit, Neues aufzunehmen. Wenn Vater und Iacoomis dasaßen und über einem Satz brüteten, so hatte er sich oft längst in meinem Mund zurechtgelegt, bevor selbst Vater ihn erfasste. Während er sich allmählich die Sprache unserer Nachbarn aneignete, brachte er auch dem Schreiber meines Großvaters, Peter Folger, ein paar nützliche Vokabeln bei, welcher klug genug war, ihren Wert für geschäftliche Verhandlungen und für den Handel zu erkennen. Als Zuriel und ich noch sehr klein waren, machten wir uns ein heimliches Spiel daraus, die Sprache zu lernen, und benutzten sie, sozusagen als Geheimsprache, unter uns. Doch als Zuriel größer wurde, hielt er sich immer weniger am heimischen Herd auf und war mehr draußen unterwegs, wie es einem Jungen eben gestattet ist. So welkte auch unser Spiel dahin, und er vergaß die Sprache nach und nach, während ich immer größere Fortschritte darin machte. Ich frage mich oft, ob das, was später geschah, hier seine Wurzeln hatte: dass die indianische Sprache tief in meinem Herzen mit jenen frühen Erinnerungen an meinen Bruder verknüpft war und so auch

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