Der schwarze Geist
Der schwarze Geist
Enrico Pisani ist ein beliebter Verwandlungskünstler. Mit bürgerlichem Namen heißt er Benno Schmitz. Die meisten seiner Zauberkunststücke beruhen auf dem verblüffenden Trick mit dem „dritten Arm“: Er trägt dafür eine Jacke mit einem normalen Ärmel, in dem sein eigener Arm steckt, und einem ausgestopften Ärmel. Dazu weiße Manschetten und weiße Handschuhe. Sein zweiter „echter“ Arm ist mit einem schwarzen Trikot und einem schwarzen Handschuh bekleidet. Durch einen seitlichen Schlitz in der Jacke kann der Zauberkünstler vor dem dunklen Hintergrund der Bühnenwand allerhand rätselhafte Kunststücke vollführen.
Die Leute sehen immer nur die beiden Hände mit den weißen Handschuhen, der dritte, schwarze Arm dagegen ist vor der schwarzen Wand nicht zu sehen.
Eines Tages ist Enricos Karriere schlagartig zu Ende. Er macht einen Fehler, der schon manchen Gauner hinter Gitter gebracht hat: Er lässt sich erwischen! In einer Gala-Vorstellung nützt er seine Fingerfertigkeit, wie schon so oft, schamlos aus. Er stiehlt einer Besucherin des Cabarets „Wintergarten“ die wertvolle Brillantkette. Doch die Dame ist fast so flink wie er. Sie grapscht im Halbdunkel des Lokals nach dem unsichtbaren Arm. Ihre Beute ist ein schwarzer Handschuh, dessen Besitzer sich rasch ermitteln lässt. Nach sieben Monaten „Urlaub“ in Santa Fu, einem bekannten Gefängnis, sucht Benno Schmitz nach neuer Arbeit. Er findet sie auf dem Rummelplatz. Dort arbeitet er in verschiedenen Schaubuden und hat außerdem einen Job in der Geisterbahn. Jetzt nennt Schmitz sich übrigens Horatio Nero.
Immer häufiger kommt es nun vor, dass Besucher, die in fröhlicher Laune über den Rummelplatz ziehen, bei der Rückkehr ihre Armbanduhr, ihren Schmuck oder gar ihre Brieftasche vermissen. Benno Schmitz hatte zugegriffen!
Die Polizei wird aufmerksam. Unauffällig mischen sich Polizeibeamte unter das Publikum. Dreimal kommt es vor, dass den Beamten nach dem Besuch der Geisterbahn ihre Uhr, ihre Brieftasche oder ein wertvolles Feuerzeug abhanden kommt. Jetzt will es Kommissar Kugelblitz genau wissen. Er macht sich selbst auf den Weg, um dem diebischen Geist ein Bein zu stellen.
Kugelblitz hat seine Jackentaschen zugenäht. Seine Brieftasche ist bis auf zehn Euro entleert, und seine silberne Tabaksdose hat er mit einer aus Plastik vertauscht.
„Hereinspaziert! Hereinspaziert! Nur keine Angst, meine Herrschaften!“, sagt der Ansager, der von Kopf bis Fuß schwarz angezogen ist und eine Furcht erregende Fledermaus-Maske aufhat.
Aber Kugelblitz fürchtet sich kein bisschen. Er setzt sich in den nächsten der roten Wagen, der gleich darauf durch eine Gummitür in die Dunkelheit rumpelt. Kugelblitz presst die Hand aufs Herz, oder besser gesagt, auf die Brieftasche. Als er nach einer rasanten Fahrt durch die schaurig heulende Geisterwelt wieder ins Freie geschleudert wird, ist seine Brieftasche weg, samt U-Bahn-Karte und Dienstausweis!
„Es muss passiert sein, während ich mich in der Kurve am Wagenrand festklammerte – das ist ein ganz ausgebuffter Profi“, schimpft Kugelblitz. „Das ist alles, was ich von ihm erwischt habe!“ Er hält einen schwarzen Handschuh in die Höhe und befiehlt seinen Leuten, die Geisterbahn sofort zu umstellen.
Die sieben Angestellten, die berufsmäßig den Auftrag haben, den Leuten das Gruseln beizubringen, finden sich beim Kassenhäuschen ein. Drei hatten versucht, durch den Hinterausgang zu entwischen. Ein Knochenmann, ein schwarzer Geist und ein Vampir.
„Was ist denn hier los?“, erkundigt sich der Besitzer. „Und wer sind Sie überhaupt?“
„Kugelblitz. Kriminalpolizei. Ein kleiner Zwischenfall. Es wurde in der Geisterbahn Geld gestohlen“, sagt Kugelblitz.
„Da könnte jeder kommen“, mischt sich der Ansager ein, der jetzt zu der Gruppe stößt. „Haben Sie überhaupt einen Dienstausweis?“
„Ich? Ja, natürlich ... das heißt, mein Kollege“, sagt Kugelblitz etwas verunsichert und fügt dann rasch hinzu: „Wo waren Sie eigentlich während der letzten Fahrt?“
„Ich hab mir was zum Futtern geholt!“, sagt der Ansager und beißt in eine knusprige Wurstsemmel.
„Wir suchen den Mann, dem dieser Handschuh gehört“, sagt Kugelblitz und wedelt mit dem Beweisstück in der Luft herum.
„Das wird schwer sein“, sagt der Geisterbahnbesitzer achselzuckend. „Schwarze Handschuhe hat hier jeder. Die gehören quasi zur Berufskleidung.“
„Wie viel war denn
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