Inselkoller
Dünger und so weiter aufbewahrt
werden, auch gefunden haben.«
»Die Indizien sind ja ziemlich eindeutig.«
»Ja, eindeutig und auch peinlich.«
Ihr Gespräch hatte bis jetzt einen nüchternen
und sachlichen Ton gehabt. Nur ab und an hatte ein freudig erstaunter Ton ihre Stimmen
gefärbt. Jetzt fragte Jung ungläubig und fast erschrocken:
»Wieso peinlich?«
»Wenn der Farbige die Frauen tatsächlich umgebracht
und unter den Gartenabfällen versteckt hat, dann hätten wir sie schon damals finden
müssen, als wir den Tod der dicken Lady bearbeiteten. Aber wir haben uns nur auf
das Wohnhaus konzentriert.«
Jung merkte dem Leiter der Spurensicherung
seine Verlegenheit an. Das überraschte ihn, denn in der Polizei-Inspektion gab normalerweise
niemand Fehler offen zu. Deswegen antwortete er: »Ich würde das nicht an die große
Glocke hängen. Niemand hätte etwas davon. Von mir wird es keine Hinweise in dieser
Richtung geben.«
»Danke für Ihr Verständnis. Wir halten den
Ball flach. Morgen haben Sie einen detaillierten Bericht über die vorläufigen Ergebnisse
auf dem Schreibtisch.«
»Ich danke Ihnen. Haben Sie Holtgreve schon
informiert?«
»Nein, Sie sind der ermittelnde Beamte. Der
Chef hat sich bei mir nicht gemeldet. Ich sehe keine Veranlassung zu irgendwelchen
Extratouren.«
»Danke für Ihre Informationen. Ich lese morgen
Ihren Bericht. Bis bald.«
»Gern geschehen. Bis bald.«
Was war hier passiert? Wie war der Gärtner
mit den Frauen in Kontakt gekommen? Was hatte ihn bewogen, sie umzubringen? Und
warum hatte er seine Gönnerin vergiftet? Wie konnte er das, wenn er schon eine Woche
vorher ausgereist war? In Jungs Kopf türmten sich die Fragen, über die er seine
Sommergrippe fast vergessen hätte. Seine zugeschwollene Nase, sein Hustenreiz und
seine immer noch schwammigen Beine mahnten ihn, sich wieder ins Bett zu legen.
Heute würde er nichts mehr unternehmen können.
Er entschloss sich, liegen zu bleiben und morgen früh an seinen Schreibtisch zurückzukehren.
Nach dem Studium der Berichte würden sich weitere Schritte von selbst ergeben.
Er versuchte, seine Familie telefonisch zu
erreichen. Zu Hause nahm niemand ab, und er sprach eine kurze Nachricht auf den
Anrufbeantworter. Dann trank er viel Wasser, ging aufs Klo, trank nochmals Wasser,
diesmal mit Zink und einer 500er-Dröhnung Paracetamol. Danach fiel er in einen unruhigen
Schlaf.
Morgens wachte er früh auf. Er fühlte sich
schlapp, aber seine Lebensgeister regten sich und versetzten ihn in gedämpft-optimistische
Stimmung. Eine kurze Morgentoilette versetzte ihn wieder in einen halbwegs ansehnlichen
Zustand. Er trank viel Wasser. Dann verließ er das Apartment, hinterlegte die Schlüssel
bei Frau Steindorff in der Strandallee und lenkte seine Schritte, ohne zu frühstücken,
vorbei am Hotel ›Stadt Hamburg‹ direkt zum Bahnhof. Der kurze Fußmarsch strengte
ihn an. Seinen Tatendrang behinderte er trotzdem nicht. Der Himmel war wolkenverhangen.
Der Wind war bis auf eine leichte Brise abgeflaut. Er nahm den nächsten Zug aufs
Festland.
Am späten Vormittag hatte er schließlich sein Auto auf dem Parkstreifen
im Innenhof der Polizei-Inspektion auf Norderhofenden abgestellt. Er strebte dem
Eingang zu. Petersen hatte ihn schon von Weitem ausgemacht und begrüßte ihn winkend
von seiner Wachstube aus.
»Moin, moin, Herr Kriminalrat. Ich habe von
Ihrem Ermittlungserfolg gehört. Glückwunsch.« Petersen klang aufgekratzt. Er war
selten aufgekratzt. Jung hatte ihn noch nie so erlebt.
»Moin, Petersen, danke für die Blumen. Ein
bisschen Glück gehört dazu.«
»Der Leitende springt hier schon ganz aufgeregt
herum. Heute Morgen hat er mir ein dickes Paket für die Dienstpost gegeben. Kurz
darauf hat er es wieder abgeholt. Er wollte es lieber per Kurier nach Kiel bringen
lassen. Muss furchtbar wichtig sein.«
»Hat er was gesagt?«
»Ja, ich soll Ihnen ausrichten, dass Sie sofort
bei ihm vorsprechen sollen. Es sei äußerst dringend. Bevor Sie irgendetwas anderes
tun, sollen Sie zuerst zu ihm ins Büro kommen. Ich hab das hiermit an Sie weitergereicht.«
»Gut, Petersen. Bin schon bei ihm. Bis dann.«
Jung fühlte sich von den Aktivitäten des Leitenden
unangenehm berührt. Sein erster Impuls war, in sein Büro zu gehen und zuerst die
schriftlichen Berichte des Gerichtsmediziners und der Spurensicherung zu lesen.
Aber bevor er in seinem Büro angekommen war, hatte er sich doch noch selbst davon
überzeugt, dass es besser wäre,
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